Der überschätzte Zeitverlust
1 Minute für die Verkehrssicherheit
Im Schneckentempo durch die Stadt? Der befürchtete Zeitverlust fällt in der Realität deutlich geringer aus als vermutet. Er liegt bei rund zwei Sekunden pro 100 Meter. Hochgerechnet auf eine drei Kilometer lange Autofahrt innerorts macht das eine Minute aus – so lange kann auch einmaliges Halten an einem Rotlicht dauern.
Auch der Vergleich mit den Durchschnittsgeschwindigkeiten zeigt, dass Tempo 30 nicht langsam, sondern normal ist. Gemäss Mikrozensus Mobilität und Verkehr 2015 beträgt die mittlere Geschwindigkeit von Autofahrten in der Schweiz 37,1 km/h – Autobahn- und Ausserortsstrecken miteingerechnet!
So oder so darf die Einschätzung von René Schaffhauser, emeritierter Professor für öffentliches Recht an der Universität St. Gallen, Gültigkeit beanspruchen: «Zum nötigen Schutze unserer Mitmenschen sollte es trotz einem Zeitverlust von 5 Sekunden kein Tabu-Bruch sein, eine Ortsdurchfahrt zu verlangsamen.»
Quelle: Schweizerische Vereinigung der Verkehrsingenieure und Verkehrsexperten SVI: Optimale Geschwindigkeiten in Siedlungsgebieten. Tagungsband. 2015
Weshalb sind die Zeitverluste mit Tempo 30 kleiner als vermutet?
Ob Ortsdurchfahrten, wichtige Verbindungen quer durch die Agglomeration oder Achsen im städtischen Bereich: Sie alle sind keine geschlossenen Systeme. Mit im Spiel sind Einmündungen, Kreuzungen, Grundstückzufahrten, Parkfelder am Strassenrand. Die Fahrbahn wird zu Fuss gequert, und im Verkehrsfluss bewegen sich auch langsamere Velos.
Dementsprechend oft wird gebremst, beschleunigt, abgebogen, überholt. Der kleine Zeitgewinn durch starkes Beschleunigen geht zum Teil durch längere Halte wieder verloren. Aus einem defensiven Fahrstil resultiert dank tieferem, aber regelmässigem Tempo fast dieselbe Durchschnittsgeschwindigkeit wie bei offensiver Fahrweise. Wer weniger oft und stark beschleunigt und bremst, spart darüber hinaus Treibstoff.