Schillernde Skianzüge im Saanenland
In der Region Gstaad verschmelzen Tradition und Glamour. Insgesamt 200 Pistenkilometer schlängeln sich durch die malerische Schneewelt, unfassbar schön ist das Bergpanorama in der Ferne.
Es ist ein frischer Morgen – die Luft ist kühl, der Himmel ist klar. Der Hornberg ragt in die Höhe, dunkle Tannen bilden ein lebendiges Muster in der hügeligen Landschaft. Die Gläser meiner Sonnenbrille verwandeln das blendende Weiss der Schneedecke in ein sanftes Beige. Unter einem dichten Nebelmeer versteckt vermute ich verschneite Weiden und gemütliche Chalets.
Die Gondeln laufen erst seit kurzem. Es ist früh, noch kaum sind Skifahrerinnen und -fahrer unterwegs. Unsere kleine Reisegruppe verbrachte die letzte Nacht in einem Iglu. Eine Mitarbeiterin des nicht alltäglichen Hotels schippt frischen Schnee auf dessen Dach. So verhindert sie Löcher, die durch die Sonne entstehen. Im Mai ist es dann zu spät, dann schmilzt das Iglu endgültig dahin. Ungewohnt und wunderschön ist die Lautlosigkeit im Iglu und hier oben bei Nacht. Bei einer Schneeschuhwanderung sahen wir unzählige Sterne, die sonst im hellen Schein der Städte verschwinden. Ein Ski-Bar-Popsong durchbricht die morgendliche Stille, die Mitarbeitenden richten die Pistenbar für den Tag ein.
Mit Schwung auf der Piste
In Gstaad geniessen Leute aus aller Welt die guten Schneeverhältnisse. Eine Frau in knallig grünem Skianzug carvt flink die Piste hinunter, ein kleines Kind überholt mich ungeschickt, ein Snowboarder nutzt die ganze Bahnbreite.
Das Skigebiet der Region umfasst 200 Pistenkilometer. Unterteilt ist es in sieben Areale. Die beiden kleinsten davon sind Lauenen und Gsteig, sie verfügen über je einen Lift. Die längste Piste misst 7,5 Kilometer und schlängelt sich durch das Gebiet La Vidmanette. Die steilste Piste hingegen erwartet einen beim Kauf eines Tickets für den Glacier 3000. Wir verbringen unseren Skitag im grössten zusammenhängenden Teilgebiet: Rinderberg–Saanersloch–Horneggli.
In der Gondel geraten wir in ein Gespräch mit einem freundlichen Skilehrer, der mit zwei kleinen Jungs unterwegs ist. Er erzählt uns vom jährlichen Slopesound Festival. Unter dem Motto «Ein bisschen Musik, ein bisschen Party, viel gute Vibes!» erwartet Interessierte eine breite Palette an Konzerten in unmittelbarer Nähe der Piste. Oben auf dem Rinderberg angelangt geniessen wir das Bergpanorama – das Wetter ist schön, von hier aus sehen wir die Plaine-Morte, ein Plateaugletscher südlich des Wildstrubels.
Wir sausen steile Hänge hinunter, essen ganz traditionell Älplermagronen oder Pommes frites und ruhen uns aus, als wir mit dem Bügellift an Höhe gewinnen. Zwischen den Tannen versteckt, am Rand der Piste, entdecken wir ein überdimensionales Fondue-Caquelon. Mittendrin steht ein runder Tisch. Die Idee dahinter: Skifahrerinnen oder Wanderer können ihre Fondue-Ausrüstung mitnehmen und den flüssigen Käse draussen im übergrossen Caquelon verspeisen. Ich bin mir sicher, ich würde mich dabei wie Alice im Wunderland fühlen, nachdem sie den Schrumpf-Trunk geschluckt hat.
Ein Handabdruck aus fünf Tälern
Unser Skitag endet an der Talstation in Saanenmöser. Ganz in der Nähe befindet sich der Bahnhof, die Zugstrecke führt von Zweisimmen bis nach Montreux und verbindet die charmanten Bergdörfer der Region. Durch den Bau der Strecke 1904 nahm der Tourismus in Gstaad an Fahrt auf. Während des Zweiten Weltkriegs folgte die Errichtung des ersten auch im Sommer betriebenen Sessellifts. Vieh- und Alpenwirtschaft prägten die Gegend zuvor. Sieht man sich die Region auf einer Karte an, fällt auf, dass sie einem Handabdruck gleicht: Gstaad bildet den Mittelpunkt, wie ein Handballen. Von da aus strahlen fünf Täler, vergleichbar mit Fingern: Turbach, Lauenen, Schönried/Saanenmöser, Gsteig und Chalberhöri. Während der Wandersaison empfiehlt sich ein Ausflug zum Lauenensee.
Wir steigen in den Panorama-Golden-Pass-Express, verstauen unsere Ausrüstung und schauen durch die grossen Fenster hinaus in die idyllische Bergwelt. Unseren Abend lassen wir in der Hotel-Launch ausklingen. Familien, Pärchen, Freundinnen und Freunde füllen den Raum mit Geplauder und Gelächter. Es ist warm, wir sinken in die weichen Sessel, vertiefen uns in unser Gespräch und lauschen der Musik.
Im Treppenhaus riecht es nach Wellnessbereich. Dieser reicht weit unter die Erde, was in der Umgebung nicht unüblich ist. Ziel ist, die architektonische Landschaft und das harmonische Bild der Bergregion beizubehalten und gleichzeitig mehr Raum zu schaffen. Das Hotel erscheint mir stark geheizt, meine Haut ist trocken. Nicht zu leugnen ist der doch beträchtliche Ressourcenverbrauch in der Ferienregion. Man bedenke, dass Saanen einen eigenen, kleinen Flughafen hat.
Extravaganz im Berner Oberland
Bevor wir uns auf den Heimweg begeben, nehmen wir uns Zeit für einen ausgiebigen Spaziergang durch Gstaad. Das Dorfzentrum ist autofrei, die Leute sind entspannt. Die vielen Chalets erwecken den Eindruck, man befinde sich in einem Märchenland. Auffällig sind die teuren Luxusläden. Prada, Louis Vuitton, Ralph Lauren. In einem Schaufenster posiert eine Puppe in einem silbernen Skidress. Kein Wunder, gibt es hier viele High-End-Geschäfte: Diverse Promis finden Gefallen an der Region – Robbie Williams hat ein Chalet in Saanen.
Nicht zu übersehen, oben am Hügel, ist das Hotel Gstaad Palace. Das grosse, schillernd-weisse Gebäude mit pompösen Türmen und verschnörkelten Balkonen gleicht einem Schloss. Viele berühmte Gäste wie Liz Taylor, Roger Moore oder Prinzessin Diana kosteten hier ihren Aufenthalt im Berner Oberland in vollen Zügen aus. Weniger glamourös, aber genau so interessant ist das älteste Gasthaus in Gstaad: das Post-Hotel Rössli mit dem Baujahr 1823. Es ist ein rustikales und traditionelles Chalet, welches früher als Postablage diente. Glücklicherweise verschonten es die Flammen beim Dorfbrand vor über 120 Jahren. Auf dem Nachhauseweg fahren wir mit dem Golden-Pass-Express bis nach Zweisimmen, dort trennen sich unsere Wege. Als ich auf meinen Anschlusszug warte, begutachte ich eine alte Gondel mit dem Schriftzug «Rinderberg», die auf dem Perron steht. Ich denke daran, wie sich die Region nach den Bedürfnissen der Schneesportbegeisterten und der «Schönen und Reichen» entwickelt hat.
- Das Maison Hornberg in Saanenmöser ist ein gutes Restaurant mit einer charmanten und traditionellen Atmosphäre. Besonders viel Freude bereitet eine Kutschenfahrt durch Gstaad.
- Der «Offcut Food Truck» setzt ein Zeichen gegen Foodwaste – zu kaufen gibt es Gerichte aus Übriggebliebenem. Zu finden ist er auf dem Eggli.
- Nebst Skipisten bietet die Region auch zahlreiche Wanderrouten, für den Winter und Sommer.