Billiger ÖV macht noch keine Verkehrswende
Der ÖV muss auch für finanzschwächere Bevölkerungsgruppen zugänglich bleiben, deshalb sind gezielte Rabatte zum Beispiel für Rentner*innen, Schüler*innen oder Student*innen zu gewähren.
Das Zürcher Ja zu einem Pauschalpreis von einem Franken pro Tag für ein städtisches ÖV-Jahresabonnement reiht sich ein in eine wachsende Zahl ähnlicher Vorstösse in anderen Schweizer Städten. Doch ist diese Art der Preisgestaltung tatsächlich der Hebel, der die Verkehrswende voranbringt? Was es dafür bräuchte, wären Menschen, die vom Auto auf den ÖV umsteigen. Doch gerade in Städten mit einem bereits hohen ÖV-Anteil und vielen Besitzer*innen von ÖV-Abonnementen, ist das Potenzial dafür gering. Es besteht hingegen die Gefahr, dass Fussgänger*innen und Velofahrer*innen auf den Bus oder auf das Tram umsteigen. Das bringt keinen Mehrwert für die Umwelt.
Zum erwünschten Verlagerungseffekt vom Auto zum ÖV kommt es auch deshalb nicht, weil das Angebot nicht für die Agglomerationen gilt, wo ein Grossteil des Autoverkehrs in der Stadt entsteht. Ungünstig ist auch, dass die Verbilligung nicht für einzelne Streckentickets gilt und deshalb die gelegentliche Nutzung des öffentlichen Verkehrs nicht gefördert wird. Das ist eine verpasste Chance für einen niederschwelligen Einstieg in die ÖV-Nutzung.
Das Zürcher ÖV-Vergünstigungsmodell droht einen vornehmlich sozialpolitischen Effekt zu haben und keinen Beitrag zur Verkehrswende zu leisten. Weil die dafür eingesetzten Steuergelder aber als ÖV-Finanzierung gelten, besteht sogar die Gefahr, dass damit zukünftige Finanzierungen für den ÖV-Ausbau konkurriert.
Vergünstigungen für den ÖV haben ihre Berechtigung, wenn sie dazu beitragen, das Gesamtverkehrssystem klimafreundlicher zu machen. Sinnvoll sind Rabatte für junge Menschen, um deren Mobilitätsverhalten zu prägen und die Bindung zum ÖV zu stärken. Ebenfalls zielführend können Rabatte zu Randzeiten sein, um die Verkehrsspitzen zu glätten und die bestehenden Infrastrukturen besser auszunutzen. Der ÖV muss auch für finanzschwächere Bevölkerungsgruppen zugänglich bleiben, deshalb sind gezielte Rabatte zum Beispiel für Rentner*innen, Schüler*innen oder Student*innen zu gewähren.
Konsequenter Klimaschutz bedingt eine Reduktion des motorisierten Individualverkehrs (MIV) und eine erhebliche Verlagerung hin zum ÖV und zum Fuss- und Veloverkehr. Dafür braucht es griffige Massnahmen, die den MIV unattraktiv machen, zum Beispiel Gebühren oder Parkbeschränkungen. Und es braucht viel mehr Veloinfrastrukturen. Jetzt, wo Zürich die Vergünstigung beschlossen hat, tut die Stadt gut daran, den ÖV, Fuss- und Veloverkehr konsequent zu priorisieren. Damit die Vergünstigung des ÖV nicht einfach verpufft, ohne einen Beitrag zur Verkehrswende geleistet zu haben.