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William Todds
zVg

William Todts, welche Bilanz ziehen Sie zehn Jahre nach dem Paris-Abkommen? 

Das Paris-Abkommen und der Dieselskandal, der ebenfalls zehn Jahre her ist, haben in Europa, aber auch ausserhalb Europas, alles verändert. Vor dem Paris-Abkommen sprach die Europäische Kommission davon, die Emissionen um 60 Prozent senken zu wollen. 2025 ist ein fossilfreier Verkehr – mit Ausnahme des Flugverkehrs – realistisch. Es ist unglaublich, welche Fortschritte wir im Speziellen bei der Elektrifizierung der Autos gemacht haben. Daran hätte 2015 niemand geglaubt. Aber es geht nicht schnell genug.

Der «European Green Deal» ist eines der wichtigsten und ambitioniertesten Dossiers der letzten Jahre. Wo steht die Umsetzung aktuell? 

Ausgehend von den Schätzungen der Europäischen Kommission sind wir auf gutem Weg, die geforderten minus 55 Prozent Emissionen bis 2030 zu erreichen. Natürlich ist das eine Herausforderung und der wichtigste Grund dafür ist der Verkehrssektor. Hier sind die Emissionen in den letzten 30 Jahren gestiegen, erst kürzlich haben sie angefangen, ganz leicht zu sinken. 

Weil wir nun einmal 250 Millionen Autos auf unseren Strassen haben und pro Jahr 15 Millionen Autos verkaufen, ist es das Wichtigste, hier etwas zu tun.

William Tods

Was ist die wichtigste Massnahme, um den Verkehr zu verbessern?

Der wichtigste Entscheid ist das Verbrennerverbot ab 2035. Dazu gab es viele Diskussionen. Doch wenn wir einmal aufhören, aus einer politischen Perspektive zu denken, und es aus Klimasicht betrachten, ist es das absolute Minimum. 20 bis 30 Prozent der neu verkauften Autos in Europa sind elektrisch. In China sind es 50 Prozent. Das ist das Niveau, auf dem wir sein sollten. Natürlich sind auch Massnahmen für den öffentlichen Verkehr und für den Veloverkehr wichtig. Aber weil wir nun einmal 250 Millionen Autos auf unseren Strassen haben und pro Jahr 15 Millionen Autos verkaufen, ist es das Wichtigste, hier etwas zu tun.

Was bräuchte es zusätzlich? 

Wir haben immer noch Millionen von alten Autos auf unseren Strassen. Die einfachste Lösung wäre, sie zu verschrotten und zu recyclen und daraus Züge oder andere Dinge zu bauen. 

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Fabian Lütolf / setrunners.ch
VCS Projektleiter Yves Chatton und sein Wunsch für eine bessere Klimazukunft.

In welchem Bereich müssen wir noch die grössten Fortschritte machen?

Beim Flugverkehr, wobei es dort keine einfachen Lösungen gibt. Biotreibstoffe können ein Teil der Lösung sein, das ist aber auch problematisch. Die beste Möglichkeit, die ich sehe, sind die Kondensstreifen: Sie sind für 50 Prozent des Klimaeffekts des Flugverkehrs zuständig. Wenn wir tiefer fliegen, haben wir das Problem nicht. Die anderen 50 Prozent des Problems, das CO2, ist viel schwieriger zu lösen. 

Welche Städte oder Länder machen in Europa gute Fortschritte?

Anne Hidalgo hat als Bürgermeisterin von Paris einen fantastischen Job gemacht. Sie hat Platz für Fussgänger*innen geschaffen, sie hat es möglich gemacht, dass in der Seine wieder geschwommen werden kann, Velofahren in Paris ist explodiert.

In welchem Land sehen Sie grossen Handlungsbedarf? 

Italien hat viel Arbeit vor sich. Dort sind nur fünf Prozent der verkauften Autos elektrisch. Italien vergrössert die Flughäfen und baut teure, unnütze Brücken nach Sizilien. Natürlich hätte ich auch Bulgarien sagen können. Aber wir dürfen Bulgarien nicht mit Italien vergleichen, Italien ist ein viel reicheres Land.

Welche Rolle hat die Schweiz in der Klima- und Verkehrspolitik Europas?

Fast jede*r Europäer*in kommt irgendwann einmal durch die Schweiz. Die Schweiz hat viel Macht, Europa zu verändern. Sie hat es mit der LSVA und mit der Alpeninitiative getan. Sie kann es wieder tun. Wenn sie all die umweltschädlichen Autos und LKWs daran hindert, durchs Land zu fahren, ist das auch gut für die Menschen in der Schweiz.