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22. August 2024
Velotaschentransport
VCS
Wer oft und spontan mit dem Zug unterwegs ist, wird «MyRide» praktisch finden – das Velobillett muss allerdings nach wie vor separat gelöst werden.

Rabattsystem für den ÖV

Die ÖV-Branche will mit «myRide» ein Tarifsystem mit einem individuellen monatlichen «Bonus» einführen. Der VCS hat es getestet.

Wir kennen den Mechanismus beispielsweise von der Cumulus-Karte der Migros: Konsumentinnen und Konsumenten lassen ihr Kaufverhalten digital aufzeichnen und bekommen dafür Rabatte. Das von der Branchenorganisation Alliance SwissPass geplante neue Tarifsystem «myRide» funktioniert ähnlich. Wer möchte, kann sich bis Herbst oder Winter 2024 als Testperson registrieren. Ich habe es für diesen Beitrag bei einer Zugfahrt in den Jura getestet.

Meine Reise startet in Muri bei Bern. Die Smartphone-App funktioniert gleich wie «EasyRide»: Ich wische einmal nach rechts und die Aufzeichnung der Strecke startet. Der erste Stolperstein: Die Velotageskarte muss in der Testversion (noch) separat gelöst werden. Weil ich mich in Bern kurzfristig für eine andere Destination entscheide, profitiere ich hingegen davon, dass ich mich nicht schon vor dem Einsteigen für ein Ziel entscheiden muss.

Bis 80 Prozent Ermässigung

Der Preis wird über die gereiste Distanz berechnet, Verbundzonen oder Tageskarten werden nicht berücksichtigt. Dafür gibt es auf den Fahrtpreis einen Rabatt. Dieser ist abhängig von den bereits gemachten Fahrten im selben Monat und beträgt zwischen zehn Prozent auf den ersten Kilometern bis zu achtzig Prozent ab 350 Franken monatlichen Fahrtkosten. Für die 1. Klasse sind die Rabatte noch üppiger. Mit jedem gefahrenen Kilometer verändert sich so der durchschnittliche Kilometerpreis einer Person.

In Biel steige ich aus dem Zug und auf das Velo. Ich vergesse auszuchecken und so zeichnet die App die ersten Kilometer hinauf nach Evilard als Zugfahrt auf. Während ich auf dem Chasseral noch bei Sonne die Aussicht auf das Drei-Seen-Land geniessen konnte, setzt auf der Rückfahrt nach Bern starker Regen ein. Ich entscheide spontan, in Kerzers den Zug Richtung Bern zu nehmen.

Spontane sind im Vorteil

Dort angekommen, berechnet die App den Tagespreis. Dieser beträgt im Grundtarif Fr. 16.22 (2. Klasse, Halbtax). Für die ersten zehn Franken der Reise beträgt der Rabatt zehn Prozent. Dann habe ich – inklusive früherer Bahnreisen im selben Monat – den Schwellenwert für die nächste Rabattstufe erreicht und bekomme für die weiteren Fr. 6.22 Fahrtkosten zwanzig Prozent Rabatt. Insgesamt bezahle ich für die Fahrten Fr. 13.98.

Die neue Tarifberechnung ist also etwas kompliziert. Aber dafür muss ich mich nicht im Vornherein für ein Abonnement entscheiden und profitiere trotzdem von Rabatten. Für Personen, welche den ÖV spontan, unterschiedlich oft und nicht immer für die gleichen Strecken nutzen, ist das ein Vorteil.

Problematische Benachteiligungen

Die Alliance SwissPass ist sehr zufrieden mit dem bisherigen Verlauf der Tests. Die neue Tarifstruktur kann allenfalls zu Beginn noch etwas gewöhnungsbedürftig sein, aber die Testpersonen kommen gut mit der neuen Tarifwelt zurecht. Die Branche entscheidet Ende Jahr über die Weiterführung von
«myRide».

Während also diejenigen, die damit zurechtkommen, wahrscheinlich profitieren werden, hat das System auch Schwächen. Personen, welche nicht auf dieses neue – ausschliesslich digital zugängliche – Tarifsystem umsteigen wollen oder können, dürfen preislich nicht systematisch benachteiligt werden. Ab dem ersten Kilometer mehr zu bezahlen, wenn man sein Billett über einen anderen Kanal als «myRide» kauft, wäre nicht akzeptabel. Denn anders als Migros und Co. ist der ÖV ein Service public, der für alle da sein muss.

«MyRide» testen

Der Feldtest dauert noch bis Herbst/Winter 2024 und steht allen Interessierten offen. Die Teilnehmerzahl ist beschränkt. Anmeldung und weitere Informationen unter www.myride.ch