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Magazin 2 25
Fabian Lütolf /setrunners.ch

Ausbau der Infrastruktur, Erweiterung des Angebots und Steigerung von Effizienz, Geschwindigkeit und Sicherheit: Das «immer mehr» herrschte lange Zeit in der Verkehrspolitik vor, auf der Strasse wie auf der Schiene. Doch nun kommen Grossprojekte nur noch schleppend voran. Die Pläne für den Autobahn-Ausbau hat das Stimmvolk gestoppt und die Baustellen in den Bahnhöfen Lausanne und Luzern verzögern sich ...

«Das System stockt, es kommt an seine Grenzen: Die finanziellen, menschlichen, territorialen und energetischen Ressourcen sind nicht unerschöpflich», betonte Sylvain Guillaume-Gentil, Leiter des Planungsbüros Transitec, am zweiten «Rendez-vous de la mobilité» im März. Der Anlass lud dazu ein, unser Verhältnis zum Verkehr zu überdenken.

Die Stadt neu gestalten

Das Verkehrsverhalten passt sich dem jeweiligen Kontext an. Mit Überlegungen zur Raumplanung können die Behörden diese Flexibilität als Hebel nutzen. Zwei Strategien tragen zur nötigen «Demobilität» bei: die Verdichtung und die Aufteilung des Raums aufgrund der Verkehrsmittel.

Die Verdichtung muss das Konzept der «15-Minuten-Stadt» im Auge haben: Alle wesentlichen Dienstleistungen sind innert 15 Minuten zu Fuss, per Velo oder mit dem öffentlichen Verkehr (ÖV) erreichbar. Dieser Ansatz zielt darauf ab, vom Auto als grundlegendem Massstab des Verkehrs wegzukommen. Natürlich lässt sich das Modell der «15-Minuten-Stadt» nicht überall anwenden, und viele Menschen arbeiten weit weg von ihrem Zuhause. Deshalb sind auch die Unternehmen gefordert; mit einer Förderung von (teilweisem) Homeoffice helfen sie mit, den ÖV und die Verkehrsadern zu entlasten.

Wenn man dem Auto in der Stadt weniger Raum gibt, trägt man auch dazu bei, dass es weniger genutzt wird. Das zeigt das Phänomen der Verkehrsverdunstung. Entgegen der weit verbreiteten Meinung, dass weniger Kapazität automatisch mehr Stau anderswo verursacht, stellt man fest, dass die Menschen ihre Gewohnheiten ändern. Sie nutzen andere Verkehrsmittel, legen ihre Fahrten zusammen oder verzichten gar auf gewisse Reisen.

Zwei Strategien tragen zur nötigen «Demobilität» bei: die Verdichtung und die Aufteilung des Raums aufgrund der Verkehrsmittel.

Kontingente gegen Massenansturm

Freizeit ist noch immer der Hauptgrund für unsere Unterwegssein, das Auto bleibt dabei das Hauptverkehrsmittel. Diese Abhängigkeit überlastet Strassen und Autobahnen jedes Wochenende und schadet der Umwelt. Das touristische Angebot und die Infrastrukturen wurden ohne wirkliches Verkehrskonzept entwickelt, der Zugang mit dem ÖV zum Beispiel wurde vernachlässigt. So ersticken die Naturlandschaften in den Abgasen, während sich die aus der Schweiz oder von anderswo angereisten Massen an den Reise-Hotspots des Landes drängen.

Um diese Herausforderungen zu meistern, muss sich der Schweizer Tourismus neu erfinden. Am Oeschinensee wird eine Kontingentierung eingeführt: Seit diesem Frühling muss man (kostenlos) einen Platz in der Gondelbahn vorreservieren, um den berühmten Ort im Berner Oberland zu erreichen. Die Massnahme mag als Widerspruch zum Rentabilitätsgedanken erscheinen, doch die Destinationen können nur gewinnen; sie verbessern das Erlebnis und erhalten die Landschaftsqualität.

Jede und jeder von uns kann dazu beitragen, die Auswirkungen der eigenen Reisen auf die Umwelt zu verringern. Statt uns zur Immobilität zu verurteilen, fordert uns die «Demobilität» auf, unseren Blick auf Zeit und Raum zu verändern und authentische Erlebnisse in der Nähe zu bevorzugen: «weniger und besser».