Auf Schaffhausens Hausdach

Ein letzter Blick zurück aufs Grenzdorf Beggingen.

Was assoziiert eine Glarnerin oder ein Freiburger gemeinhin mit dem Kanton Schaffhausen? Am ehesten wohl den Rheinfall und die Munotstadt, kaum aber ein einmaliges Alpenpanorama. Dabei bietet der Randen auch das.

Wir haben extra nicht nachgefragt, ob so etwas, wenigstens annähernd, überhaupt vorkommt. Zu schön ist die Vorstellung: Vom Seeland bis zum Bodensee läge ein Nebelmeer, dessen oberste Schwaden vielleicht sogar durch die Baumwipfel zu unseren Füssen wabern würden. Wir stünden auf dem Hagenturm oder dem Schleitheimer Randenturm und blickten auf zahllose Inseln und Bergketten, die sich aus dem Meer erheben: Jurahöhen und Schwarzwälder Kuppen, die höchsten der vor Millionen Jahren erloschenen Hegauer Vulkankegel, Allgäuer Gipfel, schliesslich die vertraute Kulisse vom Säntis über den Glärnisch bis zu Berner Viertausendern. Um dann auch noch den letzten laut Panorama-Tafel Sichtbaren, den Moléson, ausfindig machen zu können, müsste die Fernsicht allerdings absolut perfekt sein.
Das war sie nicht. Dafür schweiften unsere Blicke gebannt übers Mittelland und Baden-Württemberg. Über die sanft gewellte nähere Umgebung, überzogen von einem grünbraunen Mosaik aus Wiesen und Äckern und von mächtigen Waldungen. Eine ungeahnte Weite und ein ganz neuer Blickwinkel auf Nordost-, Zentral- und Nordwestschweiz tut sich auf dem Randen auf. Geologisch ein Stück Jura, thront er wie ein gigantischer Hochsitz nördlich des Rheins.
Mit dem Randen-Bus ist er nun noch bequemer erreichbar, allerdings nur an sonnigen Wochenenden und Feiertagen, dafür kostenlos. Als Verlängerung der Buslinie 22 von Schaffhausen nach Hemmental befördert er Wanderlustige bis Kreuzweg oder Mäserich. Von dort aus gelangt man in rund einer Stunde oder weniger zu den schönsten Aussichtspunkten. Und die nächste Grillstelle oder das nächste Gasthaus liegen ebenso nah.

    

Rundherum ist eher Veloland

Schaffhausen stand schon länger auf unserer Liste – für einen Tourentipp in der Reihe «Schön über die Schweiz hinaus», wie es die komplizierte Geografie des Kantons mit Exklaven und deutschen Enklaven nahelegt. Das Naheliegendste wäre ein Stadt-Land-Bummel gewesen: durch die Fussgängerzone der Schaffhauser Altstadt mit ihren vielen schmucken Erkern, natürlich inklusive Besteigung des Munots, und dann schlicht den Rhein entlang. Nach zwei, drei Kilometern hätten wir so schon EU-Raum betreten, in Büsingen bestimmt eine Rast eingelegt, bald danach wieder Schweizer Hoheitsgebiet erreicht, aber nur um gleich nochmals das Glück offener Grenzen auszukosten auf dem Weg über Gailingen (D) nach Diessenhofen (TG). Aber ob Klettgau – das grosse Schaffhauser Weinbaugebiet –, Hegau, Wutachtal oder das übrige deutsche Grenzgebiet: Rund ums Hochplateau ist das Velo erste Wahl. Auf dem Randen bereiten Wandern und Pedalen gleichermassen Vergnügen. Sollte er wieder einmal eine tüchtige Portion Schnee abbekommen, spräche auch rein gar nichts dagegen, mit den Schneeschuhen auf dem Rucksack anzureisen.
Fährt der Randen-Bus nicht, ist dies nicht weiter schlimm. Von wo her man den Hügelzug auch besteigt, es sind immer nur zwischen knapp 300 und gut 400 Höhenmeter zu überwinden. Die Busfahrt an einen der Ausgangspunkte – nach Hemmental, nach Merishausen/Bargen oder nach Beggingen via Beringen, Siblingen und Schleitheim – führt die Vielfalt des Kantons vor Augen. Von der Kernstadt und ihren Aussenbezirken, vorbei an Villen, Industriegebäuden und Wohnblöcken schon im Grünen, geht es hinaus in ländliche Abgeschiedenheit, wo in Dorfgassen Hühner stolzieren und im Bachlauf am Strassenrand der Graureiher Fische abpasst, die den Sommer 2022 überstanden haben könnten.

  

Auch eine ökologische Schatzkammer

Klettgau-Rhein-Weg, Merishauser Naturpfade, Täuferweg, Schaffhauser Dichterpfad: Die Auswahl an – fast beliebig kombinierbaren – Routen ist gross. Nichts falsch macht garantiert, wer als Ausgangspunkt Beggingen wählt und unter den mindestens vier möglichen Aufstiegsrouten jene, die zu den 100 Stufen des Schleitheimer Randenturms hinaufführt, zuletzt auf schmalem Zickzackweg. Weiter geht es auf einem der typischen Waldsträsschen, die zumeist nur forstwirtschaftlichem Verkehr offenstehen, zum Zälgli. Hier offenbart der stark bewaldete Randen seine andere Seite, weite offene Flächen, die landwirtschaftlich genutzt wurden oder werden. Hecken und Baumzeilen, darunter viele Föhren, verleihen ihnen mitunter einen fast parkähnlichen Charakter. Einzelne Standorte, vor allem trockene Magerwiesen an den Südhängen, sind ökologisch äusserst wertvoll und ziehen nicht zuletzt Orchideen-Fans an.

Nach der Besteigung des Hagenturms – 224 Stufen! – strebten wir Bargen zu. Beiz gibt es dort aber keine mehr, doch immerhin einen Tankstellenshop. Und da das Bisherige höchstens eine mittelgrosse Halbtagestour war, entschlossen wir uns spontan zu einer Rundwanderung. Zumal sich von Bargen direkt der Hohe Randen (930 m ü. M.) ansteuern lässt, womit man, wenn auch nur ganz kurz, doch noch schön über die Schweiz hinauskommt. Wer den Grenzstein übersieht, merkts am Wegweiser in Weiss und mit Distanz- statt Zeitangabe.

Über den Aussichtspunkt Uf Neue abgestiegen, liessen wir es uns auf der Terrasse des Gasthauses Sonne gut gehen und wohnten der Flugkunst-Show der Schwalben bei, einer der letzten des Jahres. Die untergehende Herbstsonne spielte Magierin, indem sie die Waldflanke des Randen intensiv gelblich-orange aufleuchten liess. Und wir hätten noch lange sitzen bleiben können: Der letzte Bus vom 500-Seelen-Dorf Beggingen nach Schaffhausen fährt doch tatsächlich erst gegen Mitternacht.

Praktische Informationen

Anreise: mit dem Zug nach Schaffhausen (von Zürich her mit grossartiger Sicht auf den Rheinfall!) und weiter per Bus (s. Haupttext).
Besonderes Gasthaus am Randen: das Alprestaurant Babental – auf der tiefstgelegenen Alp der Schweiz mit Sömmerungsbetrieb.
www.randenbus.ch
www.naturpark-schaffhausen.ch
www.pronatura-sh.ch

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