Berner Oberland mit 36 Volt

Der VCS war an einer von den Schweizer Jugendherbergen und Swisstrails organisierten E-Bike-Tour dabei. Auf dem Programm: Die Entdeckung des Berner Oberlands von Saanen bis Interlaken, mit einem kleinen Abstecher nach Beatenberg.

Die Reise beginnt in Saanen – einem Nachbardorf des mondänen Gstaad –, wo man auf die neue, im Juni 2014 eingeweihte Jugendherberge äusserst stolz ist. Das Gebäude, das moderne Architektur mit traditionellem Chaletbau verbindet, wurde nach dem Minergie-P-Eco-Standard errichtet. Von der klassischen «Jugi» bleibt nur noch der Name, denn längst logieren auch Familien und ältere Reisende in solchen Häusern. Die Zimmer sind einfach eingerichtet, einen Fernseher gibt es nicht. Das gehört zum Konzept: Die Lobby ist gemütlich und soll die Gäste zum Verweilen und zum Knüpfen neuer Kontakte einladen. Hier treffe ich auf meine Reisegefährten.

 

Früh am nächsten Morgen führt uns die Velotour zunächst nach Saanenmöser. Es wird der einzige wirkliche Aufstieg des Tages bleiben. Mit dem E-Bike merke ich von der Anstrengung kaum etwas. Die Abfahrt nach Zweisimmen und Spiez führt durch eine Postkartenlandschaft. Die Holzhäuser sind bunt geschmückt, und auf dem ganzen Weg begleiten uns die Berggipfel des Simmentals. Nach einer Mittagspause beim Stockhorn und seinem schönen Bergsee Hinterstocken fahren wir auf der Veloland-Route 9 Richtung Spiez weiter. Bald schon sehen wir vor uns den Thunersee und den Beatenberg, dessen Aufstieg uns am nächsten Tag erwartet. Die Dächer von Leissigen, wo wir die Nacht verbringen werden, kommen näher.

Die Jugendherberge in Leissigen kontrastiert mit dem brandneuen Gebäude in Saanen – sie ist bereits hundertjährig. Aber was für ein Charme! Die Seesicht von der Terrasse aus ist schlicht erhaben, und zum Grundbesitz gehört auch noch ein eigener Strand. All das ist der Sozialpolitik der Firma Wander zu verdanken, die das Anwesen nach dem Tod des Gründers in ein Ferienzentrum für ihre Angestellten verwandelte. Das 1992 zur Jugendherberge umfunktionierte Haus war ursprünglich die Sommerresidenz von Albert Wander, dem wir die berühmte Ovomaltine verdanken. Der Ovo-Werbespruch «Mach mehr aus deinem Tag!» passt denn auch bestens hierher.

Nach einem romantischen Frühstück mit dem See vor Augen und einem erfrischenden Sprung in denselben steigen wir wieder in den Sattel und nehmen den zweiten Tag unserer E-Bike-Tour in Angriff. Der morgendliche Dunst über dem See hat sich inzwischen aufgelöst, die Sonne hat den Tag fest im Griff. Nach gerade mal dreissig Minuten kommen wir schon nach Interlaken. Dort beginnt der Aufstieg Richtung Beatenberg, immerhin 560 Meter Höhenunterschied. Für mich, deren Velotraining sich auf die täglichen zwei Kilometer zwischen Wohnort und Arbeitsplatz beschränkt, erweist sich die Kraft meines Gefährts als äussert hilfreich. Nach gut einer Stunde in die Pedale treten ohne Pause bin ich vollends überzeugt. Kein einziger Schweisstropfen! Ob das allein dem elektrischen Antrieb meines Velos oder vielleicht doch meinem atmungsaktiven T-Shirt aus Merinowolle zu verdanken ist?

 

Das Panorama in Beatenberg ist atemberaubend. Vor uns der Niesen, die Pyramide der Schweiz, und die drei Majestäten Eiger, Mönch und Jungfrau. Darunter der omnipräsente, tiefblaue See. Die Abfahrt Richtung Justistal beginnt mit einem kurzen, aber schlecht beleuchteten Tunnel. Achtung, entgegenkommende Fussgänger und Velofahrerinnen! Die pittoreske Route durch den Wald führt kurvenreich nach Sigriswil. Die Schwindelfreien machen einen kleinen Umweg über die neue Hängebrücke, die auf 340 Metern Länge und 180 Meter über dem Abgrund der Gummischlucht Sigriswil mit Aeschlen verbindet. Unser Leiter kann für uns eine Velofahrt über die normalerweise Fussgängern vorbehaltene Brücke aushandeln. Ich schaue lieber nicht nach unten.

Weniger angenehm ist dann die Strasse dem See entlang, die Gunten mit Interlaken verbindet. An diesem sonnigen Samstag im Herbst ist viel Verkehr unterwegs, und der Velostreifen ist nicht abgetrennt. Die Stiftung Veloland Schweiz hat noch viel Arbeit vor sich: Auch wenn die Landschaft immer noch gleich schön ist, fühle ich mich nicht mehr wohl und sehne mich nach einem ausschliesslich den Zweirändern vorbehaltenen Veloweg. Dieser taucht auf, sobald man die Nähe von Interlaken und dessen Camping am Seeufer kommt.

Wir erreichen Interlaken Ost, wo sich asiatische Touristengruppen auf den Füssen herumstehen. Die im Mai 2012 eröffnete Jugendherberge direkt neben dem Bahnhof wurde ebenfalls nach streng ökologischen Kriterien erbaut. Nachdem wir unsere Velos im unterirdischen Parking versorgt haben, geniessen wir die letzten Sonnenstrahlen auf der Terrasse und schauen dem Treiben auf der Strasse zu. Später wird direkt vor unseren Augen ein Mahl zubereitet, das sich zu einer regionalen Spezialität gemausert hat: ein nach Wunsch gewürztes Curry. Man muss sich seinen Gästen eben anpassen können.

 

Die Tour

von Schweizer Jugendherbergen und Swisstrails:

Infos: www.swisstrails.ch, infonoSpam@swisstrails.noSpamch, Tel. 043 422 60 22.

1. Tag: Saanen–Leissigen, 4 Velostunden (Pausen nicht eingerechnet), 58 Kilometer, 950 Meter Höhenunterschied (hauptsächlich abwärts).

2. Tag: Leissigen–Beatenberg-Interlaken, 3½ Velostunden (Pausen nicht eingerechnet), 63 Kilometer, 850 Meter Höhenunterschied, wovon 560 Höhenmeter Aufstieg nach Beatenberg.

Die Jugendherbergen organisieren die Vermietung von Velos und E-Bikes. Infos erhalten Sie an der Rezeption. www.youthhostel.ch

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