Im Hintergrund wacht der Säntis. Kalt und spitz ragt der imposante höchste Gipfel des Alpsteinmassivs in die Höhe. Zu seinen Füssen liegen Grasweiden, auf denen sich ein paar weisse Ziegen tummeln. Mitten in diesem Idyll bildet die satte Oberfläche des Sees einen himmelblauen Spiegel. Das ist die Szenerie des Seealpsees in der Sommersaison, wie sie auch die Etikette des Quöllfrisch-Biers ziert.
Im Sommer drängen sich die Touristinnen und Touristen in der Region des Seealpsees, um dessen Anblick zu bewundern und die Terrasse des Aescher-Gasthauses zu belagern. Das kleine, an den Felsen gedrückte Bergrestaurant wird überrannt, seit es 2015 im Magazin «National Geographic» gross herausgekommen ist – zum Leidwesen der damaligen Besitzer.
Der stille Winter
Ende Herbst schliessen die Alpgasthöfe ihre Türen, die Region findet zur Ruhe. Das ist der ideale Moment, um sich zum Seealpsee und seinen fast ganz verwaisten eisigen Ufern vorzuwagen. Der Winterspaziergang beginnt beim Bahnhof Wasserauen zuhinterst im Tal, der Endstation des Zugs aus Appenzell.
Der Weg ist asphaltiert und gut ausgeschildert. Er führt vorerst dem Fluss entlang, bevor er sich durch die Bäume schlängelt. Die Sonne versteckt sich noch hinter den majestätischen Gipfeln, zeichnet aber schon erste violette Strahlen in den Morgenhimmel. Der Spaziergang ist eher kurz, aber ziemlich steil. Am Ende erfordern ein paar gefrorene Stellen unsere ganze Aufmerksamkeit. Am Wegrand hängen dünne Eiszapfen in der Felswand.
Am Seeufer
Nach einer knappen Stunde Marschzeit wird der Weg flacher und gibt den Blick frei auf ein paar verstreute Chalets. Dahinter dehnt sich der Seealpsee mit seiner gefrorenen Oberfläche aus. Die Terrasse des Berggasthauses Seealpsee (im Winter geschlossen) lockt mit einem atemberaubenden Ausblick. Einige Schritte weiter am Seeufer entlang treffen wir im lockeren Wald auf die kleine Bruderklausen-Kapelle.
Der Seerundgang lohnt sich auf jeden Fall und dauert nur eine knappe Stunde – genug Zeit für die Sonne, um an den hohen Gipfeln vorbeizuziehen. Sie wirft einen Lichtschein rund um den Säntis, bevor sie im Tal verschwindet. Der Weg schlängelt sich zwischen dem See und den wenigen Tannen am Ufer hindurch, um sich dann gegen eine weite, verschneite Wiese hin zu öffnen, auf der wir erste zufällige Spuren hinterlassen.
Schliesslich führen uns die Schritte auf einen breiteren Weg und zum Gasthaus zurück, wo wir gestartet sind. Immer noch sind wir ganz allein – nur Schönheit, Kälte und Stille um uns herum. Der Rückweg geht über die gleiche Strecke wie der Hinweg, wobei wir an verschiedenen Orten den Eisplatten besondere Beachtung schenken müssen.