Winterwandern im Sommertenü

Früher war Liguriens Riviera vor allem für Engländer ein beliebtes Winterrefugium. Während heute unsereins die Küstenstriche um Genua gern aufsucht, um beschaulich ins neue Jahr hineinzuwandern.

Doch, man kann auch baden, werden wir in Zukunft jenen entgegenhalten, die finden, für Ferien zum Jahreswechsel müsse es, damit man richtig auftanken könne, schon Gran Canaria sein, wenn nicht gar Thailand. Drei Frauen gesetzteren Alters steigen mittags an der Baia delle Favole von Sestri Levante ins Meer und harren da, sichtlich vergnügt, geraume Zeit aus. Wir schreiben den 1. Januar 2018: Es ist bestimmt ihr Ritual. Tags darauf wären ihnen allerdings Hören und Sehen vergangen. Wohl zwei Meter hoch sind die Wellen, die donnernd heranrollen, sich überschlagen, tosend auf den Strand krachenund den Lungomare, die grosszügige Fussgängerpromenade mit Veloweg, mit einem Sprühnebel überziehen. Nachts sieht es aus wie nach dem Abbrennen von reichlich Feuerwerk. Fast nicht sattsehen können wir uns an den Wellenbergen, die sich schon weit draussen hell leuchtend aufbäumen, wobei die Schaumkrone rasant in die Breite wächst, um dann lawinenmässig anzulanden Auch am kleinen Altstadtstrand, der verträumten Baia del Silenzio, ist es mit der Ruhe aus. Obwohl es von einer Mauer abgeschirmt ist, fluten im sichelförmigen Büchtchen die Wogen wild durcheinander, schwappen in die Dorfgassen hinein und lagern dort ab, was sie dem Sandstrand entrissen haben. Stoisch sitzt inmitten des Getöses der Fischer, Il pescatore, auf seinem Stein. Die ausdrucksstarke, noch junge grüne Bronzefigur, wohlgeformt wie ihre natürliche Umgebung und die architektonische Kulisse, wirkt, als wäre sie immer schon dagewesen.

Der perfekte Jahresausklang

Wir lassen uns durch die Gässchen des historischen Sestri treiben, von Vitrine zu Vitrine, nehmen hier einen Cappuccino und da eine Spremuta, frisch gepressten Orangensaft. Bald ist auch der Einstieg zur Silvestertour gefunden: da, wo der Vico del Bottone von der Hauptgasse abgeht. Bestens markiert wie alle Wege, die wir begehen werden, führt der Aufstieg zum Monte Castello (266 Meter) zwischen hohen Mauern aus der Stadt hinaus, zunächst in Olivenhaine, danach in macchiaähnliche Vegetation. Im Wechsel von ausgewaschenem Fels und weichem Untergrund geht’s bis zur Südspitze der Halbinsel, die Sestri vorgelagert ist. Phantastisch die Ausblicke auf die Baia del Silenzio, aufs offene Meer und dann hinunter auf unser Ziel. Wir umgehen die blickdicht bewaldete Spitze des Monte Castello und biegen beim ersten Weiler rechts in den Direktabstieg ein. Der erweist sich zwar als steil und verlangt Vorsicht auf glitschigen Steinstufen, bezaubert dafür aber mit voll behangenen Zitronen- und Orangenbäumen. Von oben betrachtet, könnte man meinen, die grosse Werft am Südende dominiere den weiten Strand von Riva Trigoso. Dem ist nicht so. An der Uferpromenade vergnügen sich Alt und Jung Ball spielend, schwatzend oder beim Wettrennen mit den heranzüngelnden Wassermassen. Auch dieser Stadtteil von Sestri hat seinen Reiz. 24 Stunden später sind wir wieder da. Mit dem Zug nach Moneglia gefahren, begehen wir zum Jahresauftakt den Sentiero verde azzurro SVA-1, via Valle Grande und Punta Baffe. Zum Grün von Busch und Baum und dem Blau von Himmel und Meer kommen die reifen Früchtchen des Erdbeerbaums in ihren knalligen Orange- und Rottönen. Sie geben eine ganz gefällige, vitaminreiche Zwischenverpflegung ab.

Unverwüstlicher Wanderklassiker

2016/2017 waren wir in Camogli gewesen. «Bei uns geht man nicht ins Fitness, wir haben Treppen», hatte uns unsere Gastgeberin lachend begrüsst. Wie wahr! Und zu grandios waren die Sonnenuntergänge über den frappant nah scheinenden Ligurischen und Seealpen, um nicht gegen Abend auch noch zur Kirche von Ruta aufzusteigen. Nach Camogli zieht’s uns auch diesmal. Auf dem Weg von S. Margherita zum Wegkreuz Pietre Strette (ca. 500 Meter) blühen schon die ersten Mimosen. Oben auf dem Hügelkamm umfängt uns Nebel, unten am Meer, bei der Abtei S. Fruttuoso, wohin bei ruhigem Meer auch das Schiff fährt, drückt die Sonne durch. Dann biegen wir auf den Küstenweg zur Wallfahrtskirche S. Rocco ein, dessen technische Schwierigkeit dem einer mittelschweren Bergwanderung entspricht. Sind die Nagelfluhfelsen, die man quert, nass, ist man doppelt froh um die Fixketten, die an den heiklen, ausgesetzten Stellen angebracht sind.

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Wenn Korsika herübergrüsst

Wir mögen noch nicht heim, wandern aufs Geratewohl von Sestri nordwärts, vergucken uns in die Arkaden des Altstädtchens von Lavagna mit seinem Kleingewerbe, den Bars, Tavernen und dem «gmögigen» Hotel Lavagnese. Später steigen wir vom benachbarten Chiavari aus hoch zum Santuario di Nostra Signora delle Grazie. «Bier her», ertönt es in meinem Rücken. Ein solches hatte ich, mehr spasseshalber, versprochen für den Fall, dass jemand Korsika erspähen sollte.

Siehe da, das Cap Corse, dahinter das Hochgebirge um den Monte Cinto, darüber ein neckisches, untertassenförmiges Wölklein. Gegen die Côte d’Azur hinüber ein locker gewobenes Wolkenband, von der versunkenen Sonne in immer intensiveres Rosarot getaucht – bis dieser Zauber plötzlich verblasst und jenem der Nacht Platz macht. Lichtverschmutzung ist ein Problem, doch die Lichtwolke über Genua, die nun hinter der Halbinsel von Portofino aufzuleuchten beginnt, dünkt uns trotzdem einfach nur schön.

Nützliche Informationen

Anreise mit dem Zug

  • Über Mailand (umsteigen) und Genua; ab Milano direkt mit IC Richtung La Spezia oder bis Genova P. P. und von da weiter mit (schnellem) Regionalzug.
  • Ab Bern/Zürich/Lausanne sind Camogli und Sestri in weniger als 7 Std. erreichbar.

Wanderzeiten

  • Sestri–Riva: je nach Route gut 1 bis knapp 2 Std.; Moneglia–Riva: ca. 3½ Std.;
  • S. Margherita–Camogli ca. 5 Std.

Weitere Informationen

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