Zollfreie Aussichten

Doppeltes Städtchen – Blick von Laufenburg (D) auf Laufenburg (CH).

Schweiz oder Deutschland? Am Hochrhein zwischen Basel und Schaffhausen bleibt dies zuweilen unklar. Gewiss aber ist: Die Fahrt hin mit der Schweizer SBB und zurück mit der Deutschen Bahn hält Überraschendes bereit.

Flüsse trennen und verbinden. Dies macht einen Teil ihres Reizes aus. Für den Hochrhein zwischen Basel und Schaffhausen mit allerlei munteren Kleinstädten am Weg gilt dies im besonderen Mass. Auf dem Wasserweg ist die durchgehende Fahrt unmöglich. Wie schön, dass an beiden Ufern eine Bahn fährt. Seit 1994 allerdings mit einer Lücke: Zwischen Laufenburg und Koblenz gibt es nur noch Güterverkehr, für wenige Kilometer muss auf das Postauto ausgewichen werden.

Von Fischen und Schiffen leben

Trotz dieser kleinen Erschwernis lohnt sich die Zwei-Länder-Fahrt. Zunächst führt sie vom Bahnhof Basel SBB mit der S-Bahn über Rheinfelden nach Laufenburg. Das doppelte Kleinstädtchen Laufenburg auf schweizerischer und deutscher Seite ruft nach einem Zwischenhalt. Dies nicht allein, weil es zugleich pittoresk und lebendig ist. Es steht auch musterhaft für die Verkehrsgeschichte.Bis die Bahn kam und später ein Kraftwerk, lebte Laufenburg vom Fluss. Und das zweifach, nämlich vom Wasserweg und vom Fischfang. Unterhalb der Rheinbrücke stoppten Stromschnellen die Transporte auf dem Fluss. Sie gaben dem Städtchen auch den Namen: «Lauffen» sind Schnellen. Die Laufenburger Flösser lenkten die Schiffe an Seilen über dieses Hindernis, die Ladung umging die Gefahrenstelle auf dem Landweg. Mit dem Kraftwerkbau wurden die Felsriegel weggesprengt, keine Lachse sprangen mehr über Flussschnellen.

Grenzen, wo seid ihr geblieben?

Von Laufenburg nach Döttingen im Aaretal ist in ein gelbes Postauto umzusteigen. Ab Koblenz an der Aaremündung geht es erst einmal hübsch dem Rhein entlang weiter, mit Blick über den Fluss zu den südlichsten Ausläufern des Schwarzwalds. Nach dem Landstatiönchen Zweidlen aber spielt die Geografie verrückt: Plötzlich hält sich die Landesgrenze nicht mehr an den Rhein; die beeindruckende, 440 Meter lange Eglisauer Rheinbrücke führt von der Schweiz in die Schweiz. Auf einer Strassenbrücke sähe man aus dem Auto nur die Leitplanke, hier blickt man tief zum Fluss hinunter. Sein Ende findet der Höhenflug prosaisch bei einer Kläranlage.

Dass der Zug danach sieben Kilometer über deutsches Gebiet rollt, fällt kaum jemandem auf. Am wenigsten den beiden Jungmanagern im Abteil nebenan. Sie debattieren, wie sie ein Projekt «staffen» und einen Businessplan «challengen» wollen. Aber einmal blicken die beiden im Karrierezug dennoch hoch, nämlich in Neuhausen: «Wow!», rufen sie, denn rechts von ihnen baut sich der Rheinfall auf. Seine Gischt glitzert in der Sonne. Doch lange wirken kann der Anblick nicht – gleich hat der Zug Schaffhausen erreicht. Wo wiederum beide Ufer zur Schweiz gehören.

Die Perspektive wechseln

Schaffhausen ist die Hauptstadt des gleichnamigen nördlichsten Kantons, der als Zipfel nach Deutschland ragt. Sein Stadtbild ist für mich eines der schönsten aller Mittelstädte der Schweiz. Gleich Laufenburg verdankt Schaffhausen seine Blüte einem Hindernis der Schifffahrt. Der Rheinfall, heute eine touristische Grossattraktion, war eine absolute Barriere für den Warentransport. Selbst an Seilen hätte ihn kein Schiff überwinden können.

Anders als Laufenburg konnte Schaffhausen mithilfe der Wasserkraft schon früh eine namhafte Industrie aufbauen. Auch von der Eisenbahn profitierte es stärker. Der Bahnhof Schaffhausen hat internationalen Status. Hier kreuzt sich die Nord-Süd-Achse Zürich–Stuttgart mit den Strecken West-Ost auf beiden Seiten des Rheins und des Bodensees.

Einer der Schienenäste trägt uns zurück nach Basel – nun ganz ohne Umsteigen. Der deutsche Zug durchfährt den schaffhausischen Klettgau mit seinen Weinbergen, bevor er bei Waldshut wieder den Rhein erreicht. Dort ermöglicht er einen totalen Perspektivwechsel. Vom deutschen Ufer aus wirken die Schweizer Kleinstädte nochmals schöner. In Badisch Laufenburg oder Badisch Rheinfelden kann man aussteigen und in wenigen Fussminuten das Schweizer Pendanterreichen.

Bald ist wieder die trinationale Basler Agglomeration erreicht. Endpunkt ist Basels Badischer Bahnhof, ein architektonisch hochkarätiges Stück Deutschland auf Schweizer Boden. Auf ihm flatterte einst eine Hakenkreuzfahne. Zum Glück nur kurzzeitig. Heute können wir den Tag hier froh ausklingen lassen – Restaurant und Bar unter dem Bahnhofdach sind ein guter Ort dafür.

Der Journalist und Autor Ruedi Eichenberger ist leidenschaftlich gerne mit Bahn und Velo unterwegs. In ausführlicherer Fassung findet sich diese Tour in seinem soeben erschienenen Buch «Bahnreiseführer Schweiz». 

Infos zur Bahnreise

Dauer: 4,5 Stunden (reine Fahrzeit).

Umsteigen: 4x (Laufenburg, Döttingen, Eglisau oder Bülach, Schaffhausen).

Billett: Für die deutsche Strecke nach Basel am DB-Automaten in Schaffhausen ein günstiges Baden-Württemberg-Ticket lösen.

Sehenswert: Munot und Museum Allerheiligen in Schaffhausen, Rheinfall in Neuhausen, Stadtkerne Waldshut (D) und Rheinfelden (CH).

Wandern: auf Römerspuren von der Aare zum Rhein – ab Döttingen durch Rebberge hinauf zum Zurzacherberg und hinunter zum Thermalbade- und alten Messeort Zurzach (5 km, 177 m↗︎, 165 m↘︎).

Velo fahren: Rundtour ab Schaffhausen (Rent-a-Bike-Vermietstation am Bahnhof) über Schloss Laufen, die frühere Benediktinerabtei Rheinau in einer doppelten Flussschlaufe und den Rheinfall (23 km, 315m↗︎ und ↘︎).

Essen: Kammgarn in Schaffhausen (industriell, leicht alternativ), Les Gareçons im Badischen Bahnhof Basel (kreativ, aber nicht überteuert).

Weitere Tipps und Routendownload: www.bahnreisefuehrer.ch/zollfreie-aussichten

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