Touren in die Natur

Am Fluss der Geschichte und des Biers

Der Regnitz-Radweg führt in zwei Varianten Nürnberg und weiter an den Main, wo es eine Fortsetzungsmöglichkeit gibt. Höhepunkte sind Nürnberg, Erlangen, Bamberg – und das Bier.

Ein paar Kilometer unterhalb von Nürnberg fliessen die Pegnitz und die Rednitz zusammen. Von da an heisst das fusionierte Gewässer Regnitz, es strömt durch flache Auen an schönen Städten vorbei. Nach gut 60 Kilometern mündet es in den Main. Entlang der Regnitz gibt es einen neuen Radweg oder besser gesagt: deren zwei. Einer verläuft meistens auf dem Damm des Rhein-Main-Donau-Kanals, der andere heisst Talweg. Er entfernt sich mal links, mal rechts von der Wasserader.

Nürnberg: Man kennt die fränkische Metropole wegen der Lebkuchen und wegen der Nürnberger Prozesse, an denen 1946 etliche der schlimmsten Nazi-Verbrecher verurteilt wurden. Sie hatten in den Jahren zuvor als bewunderte Helden an den Reichsparteitagen teilgenommen, die auf einem riesigen Areal vor der Stadt staatfanden. Nürnberg muss eine Stadt mit zwei Gesichtern sein, denkt man aus der Ferne. Sie hat aber mehr als zwei.

Reichstage und Parteitage

Lange bevor die Nazis Nürnberg zur Stadt der Reichsparteitage machten, war sie die Stadt der Reichstage. Oben auf der Burg versammelten sich von 1050 bis 1571 jeweils die deutschen Könige und Kaiser. Die Burg, ist eine von vielen Sehenswürdigkeiten im alten Kern, der von den teils erhaltenen Stadtmauern und seinen Toren begrenzt wird. Die Altstadt lag nach dem Zweiten Weltkrieg in Trümmern und wurde auf dem historischen Grundriss wieder aufgebaut. Etliche Kunstdenkmäler hat man restauriert. Auch die Frauenkirche vor deren gotischer Fassade auf dem Hauptmarkt jeweils der berühmte Christkindlmarkt stattfindet. Es ist ein schöner, angenehmer Platz.

Am Vortag besuchte ich die Überreste des Reichsparteitagsgeländes. Es wirkt heute nutzlos und banal, gibt aber doch einen Eindruck vom Geist, vom Wahn der im Dritten Reich herrschte. Die verfallende Tribüne beim Zeppelinfeld ist reine Fassade. Hitler nahm auf diesem in Stein gemeisselten Imponiergehabe die Aufmärsche ab. Heute weiss die Stadt nicht so recht, wie sie mit dem ungeliebten Erbe umgehen soll. Ab und zu finden Motorradrennen statt.

Ich kehre Nürnberg den Rücken und bin lautlos mit dem Velo unterwegs. Bis vor Erlangen sind die beiden Radwege vereint. Das Gelände ist flach, es rollt sich sehr leicht durch die teils renaturierten Auen. Man trifft am Ufer auf ein erstes restauriertes Wasserschöpfrad, von denen es einst Dutzende hatte. Am hölzernen Rad waren Eimer angebracht, die das Wasser in Kanäle schöpften. So bewässerten und düngten die Bauern in den trockenen Sommern ihre sandigen Böden, in denen in unseren Tagen im Frühjahr Spargel spriessen.

Hugenotten willkommen

Erlangen lohnt einen Abstecher. Die Stadt wirkt freundlich, grosszügig, mit schachbrettartig angelegten Gassen und wenig Verkehr im Zentrum. Fachwerkhäuser, wie sie sonst für Franken typisch sind, sucht man hier vergeblich. Die meisten Fassaden sind eher einfach; prächtig ist das Ensemble. Erlangen ist ein Kind der Aufklärung. Die Neustadt wurde für die aus Frankreich geflohenen Hugenotten gebaut. Der lutherische Markgraf bot den kalvinistischen Flüchtlingen das Niederlassungsrecht und garantierte ihnen die freie Ausübung ihres Glaubens. Er verfolgte damit auch wirtschaftliche Ziele für sein Fürstenturm. Die Hugenotten galten als tüchtige Handwerker, die ihre Erzeugnisse in modernen Manufakturen herstellten.

Die Franken werden manchmal als mundfaul beschrieben. Man sollte aufpassen mit solchen Clichés. In Erlangen gibt mir ein freundlicher Herr gerne und lange Auskunft, als ich mich nach den Sehenswürdigkeit erkundige. Der Bootsmann, der mich mit seiner alten Fähre bei Pettstatt über die Regnitz transportiert, ist hingegen so wortkarg, dass es schon fast weh tut. Meine Fragen findet er höchst überflüssig. Ich lasse mich nicht um die gute Laune bringen. Die Velofahrt durch das Naturschutzgebiet der Pettstadter Sande und durch den Bamberger Hain, einen herrlichen Wald, ist weiter abwechslungsreich. In der Ferne sind die bescheidenen Erhebungen der Fränkischen Schweiz erkennbar. In Deutschland heisst schnell mal eine Hügelzone „Schweiz“.

Das Weltkulturerbe als Gesamtkunstwerk

Das Weltkulturerbe Bamberg ist das Gegenteil von Erlangen. Es ist ein mittelalterliches, verwinkeltes, katholische Bijou, gebaut auf sieben Hügeln und nahe am Wasser der in zwei Arme geteilten Regnitz. Die Altstadt, so formuliert es der Reiseführer, sei ein „Gesamtkunstwerk zwischen Gotik und bürgerlichem Barock.“ Entsprechend den beiden Polen ist Bamberg auch geografisch zweigeteilt: in die Bürgerstadt und in die Bischofsstadt mit dem berühmten Kaiserdom, dessen vier Türme hoch über der linken Flussseite emporragen.

Als Velofahrer kommt man direkt im Zentrum des Geschehens an und ist fast etwas überwältigt von den schäumenden Schleusen, den Fassaden, vom bemalten alten Rathaus mit dem wunderbaren Stadttor zwischen zwei Brücken und dem Rottmeisterhaus, das am Brückenkopf über dem Wasser schwebt.

Die flüssige Rauchwurst

Noch eine Attraktion sollte man nicht verpassen: Bamberg ist eine berühmte Bierstadt. Zwar gibt es heute nicht mehr 65 Brauereien wie 1818, als Bier ein Grundnahrungsmittel war, aber immerhin noch deren neun. Die berühmteste ist das Brauerei-Restaurant Schlenkerla, gelegen in einem schmucken Altstadthaus, wo es wenig Licht und viel Betrieb gibt. Das Personal schenkt auch Rauchbier aus, eine Bamberger Spezialität. Den Geschmack erhält es vom Malz, das über einem Buchenholzfeuer getrocknet wird. Das Bier schmeckt wie eine flüssige Rauchwurst und ist gewöhnungsbedürftig, wie schon ein alter Spruch weiss: "Dieweilen aber das Gebräu beim ersten Trunk etwas fremd schmecken könnt', lass dir's nicht verdrießen, denn bald wirst du innehaben, dass der Durst nit nachlässt."

Wenn das Bier verraucht ist und man wieder einen klaren Kopf hat, ist Folgendes gut zu wissen: Von Bamberg aus führt der Radweg ein paar Kilometer weiter bis zur Mündung der Regnitz in den Main. Hier vereinigt er sich mit dem Main-Radweg, der den kurzen Regnitz-Radweg erweitert und die Veloreise ins Frankenland erst recht lohnend macht. Bis Mainz sind es immerhin noch rund 400 Kilometer. Und dort wartet ja dann der Rhein-Radweg: schöne Aussichten für Velozipedisten.

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