Tarifsysteme im öV

Für einen einfach zugänglichen öffentlichen Verkehr braucht es neben einem gut ausgebauten Netz faire und berechenbare Tarife. Das von der Alliance SwissPass angedachte Tarifsystem «MyRide» könnte diese Grundvoraussetzung infrage stellen.

Der VCS Verkehrs-Club der Schweiz und der Konsumentenschutz setzen sich für einen fairen, einfachen und konsumentenfreundlichen öV ein, der den Bedürfnissen der Bevölkerung bestmöglich entspricht und niemanden benachteiligt oder ausschliesst.

Um dies in Zukunft zu gewährleisten, müssen folgende Leitlinien bei allen Tarifen und Billetten zwingend eingehalten werden:

Tiefe Einstiegshürden: Alle Menschen haben einfachen Zugang zum öV
Transparentes Tarifsystem: Eine Strecke kostet grundsätzlich immer gleich viel
Preis muss vorgängig bekannt sein
Wer mit Bargeld bezahlt, darf nicht benachteiligt werden
Privatsphäre muss gewährleistet sein
Anonymes öV-Fahren muss möglich bleiben
Fahrgastdaten dürfen nicht verkauft werden
Tiefe Einstiegshürden: Alle Menschen haben einfachen Zugang zum öV

Mobilität ist für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zentral. Der öV spielt dabei eine wichtige Rolle und der Zugang muss für alle Menschen auf einfache Art gewährleistet sein. Besonderes berücksichtigt werden müssen dabei folgende Gruppen: 

  • Menschen ohne Zugang zu einem Smartphone (z. B. Kinder, ältere Menschen, Menschen mit Beeinträchtigungen) 
  • Menschen ohne Zugang zu digitalen Zahlungsmitteln oder einem SwissPass (z. B. Menschen ohne Ausweispapiere, Personen mit tiefem Einkommen, Armutsbetroffene oder Touristinnen und Touristen)
  • Menschen, die den öV (noch) nicht regelmässig nutzen und sich mit dem Billettsystem kaum auskennen
Transparentes Tarifsystem: Eine Strecke kostet grundsätzlich immer gleich viel

Ein verständliches, transparentes und vergleichbares Tarifsystem ist für die Glaubwürdigkeit des öV unerlässlich. Auch der Gesetzgeber sieht vor, dass die Tarife für Reisende in «vergleichbarer Lage vergleichbare Bedingungen»  vorsehen. Dies soll weiterhin durch eine gleichbleibende Kostenstruktur erreicht werden, die auf effektiven Kosten basiert (sog. offenes System im Normaltarif).  Die Preise sind für die gleiche Reise grundsätzlich immer gleich. Individuelle «Tarifwelten» bzw. «dynamische Preise», die auf Grundlage des Verhaltens in der Vergangenheit berechnet werden, widersprechen diesem Prinzip. Aus diesem Grund werden dynamische Preismodelle  abgelehnt, die voraussichtlich den Mobilitätskonsum von Vielfahrern noch befeuert.  Davon ausgenommen sind variierende Billetpreise, die eine Verlagerung von den Haupt- zu den Nebenverkehrszeiten dienen (z.B. Sparbillette) oder kombinierte Angebote, um die Verlagerung auf den öffentlichen Verkehr zu fördern (z.B. Snow-Rail).

Preis muss vorgängig bekannt sein

Beim Kauf von Waren oder Dienstleistungen gilt der Grundsatz der Preisbekanntgabe. Preis, Umfang und Inhalt der angebotenen Dienstleistungen müssen für die Konsumentinnen und Konsumenten klar und unmissverständlich zugänglich sein. Das gilt auch für den Kauf von öV-Billetten, unabhängig davon, ob sie vor oder nach der Fahrt bezahlt werden.  

Wer mit Bargeld bezahlt, darf nicht benachteiligt werden

Konsumentinnen und Konsumenten müssen beim Zahlungsmittel freie Wahl haben. Insbesondere die Zahlung mit Bargeld oder auf Rechnung muss gewährleistet sein und darf gegenüber digitalen Zahlungsmitteln nicht benachteiligt werden; weder über den Preis (z. B., indem Rabatte nur online erhältlich sind), noch über eingeschränkte Möglichkeiten des Billettkaufs (z. B. Reduktion der Billettautomaten oder Schalter). Ob jemand Bargeld oder digitale Zahlungsmittel verwendet, soll durch die öV-Branche nicht aktiv gesteuert werden. 

Privatsphäre muss gewährleistet sein

Die Bundesverfassung sieht in Art. 13 vor, dass das Recht auf Privatsphäre gewährleistet sein muss. Die öV-Branche muss hier eine Vorreiterrolle einnehmen. Sie generiert unzählige sensible persönliche Daten von Reisenden. Hierzu gehören detaillierte Bewegungsprofile, aber auch Adress- und Zahlungsdaten etc. Dadurch besteht nicht nur ein hohes Risiko für einen Eingriff in die Privatsphäre, sondern auch eine mögliche ungerechtfertigte Bereicherung Dritter. Dies bedeutet insbesondere, dass weder die öV-Betreibenden (z. B. SBB) noch Dritte (z. B. Betriebssystembetreiber) Zugriff auf die Daten der Reisenden haben dürfen. Auch nicht indirekt durch die Nutzung der Betriebssysteme. Apps müssen darum möglichst datensparsam konzipiert sein und sich am Prinzip «privacy by default» ausrichten.  

Anonymes öV-Fahren muss möglich bleiben

Seit Jahrzehnten können Reisende den öV benutzen, ohne sich dabei ausweisen zu müssen. Es muss darum weiterhin möglich sein, ohne grösseren Aufwand anonym im öV unterwegs zu sein – beispielsweise mit ausgedruckten Billetten, Bargeldzahlungen und ohne Zugangskontrollen. Sind diese Systeme nicht mehr gewährleistet, muss die öV-Branche Alternativen entwickeln, welche anonymes Zugfahren gewährleisten.  

Fahrgastdaten dürfen nicht verkauft werden

Durch die Digitalisierung hinterlassen die öV-Fahrgäste immer mehr Daten. Die Betreiber haben begonnen, diese in immer grösserem Ausmass systematisch zu sammeln und zu speichern. Dies ist legitim, wenn es ausschliesslich der Sicherheit und Planung im Sinne der Kundinnen und Kunden und dem Kerngeschäft der Transportleistung dient. Völlig falsch ist es hingegen, wenn die Kundendaten zu Werbezwecken verwendet oder sogar verkauft werden. 

VCS und Konsumentenschutz erwarten von der Alliance SwissPass ein umsichtiges Vorgehen bei der weiteren Planung des Tarifsystems. Der Billettkauf muss für alle Gesellschaftsgruppen einfach sein. Positive Aspekte neuer Möglichkeiten und Gewohnheiten dürfen nicht mit ausufernder Datensammlung oder unberechenbaren Tarifen ins Gegenteil verkehrt werden.


Weitere Informationen:

 

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