Interview mit Louis Palmer

Nelly Jaggi - VCS-Magazin 01/2022

Solarpionier Louis Palmer glaubt an die Alternativen zum benzinbetriebenen Auto. Im Interview erzählt er, warum er 2007 bis 2008 mit einem «Solartaxi» um die Welt gefahren ist und welche Überraschung er für die E-Mobil-Rallye «Wave» im Köcher hat.

«Verzicht predigen funktioniert nicht»

Louis Palmer, Sie sind einst während anderthalb Jahren in Ihrem selbstgebauten «Solartaxi» um die Welt gefahren, um auf die Klimaproblematik aufmerksam zu machen. In dieser Zeit haben Sie jeden zehnten Menschen auf der Erde mit Ihrer Botschaft erreicht. Sind Sie heute frustriert?

Natürlich hätte alles schneller gehen können. Aber in all den unterschiedlichen Bereichen, in denen CO2 entsteht, ist bei der Mobilität vielleicht am meisten geschehen: Praktisch jeder Autohersteller hat sich dazu verpflichtet, Elektroautos zu bauen. Viele haben bereits festgelegt, ab wann sie ausschliesslich auf Strom setzen werden. In anderen Bereichen wurden null Fortschritte erzielt, zum Beispiel in der Fliegerei oder bei der Abholzung des Amazonas. Individuen können nicht entscheiden, ob ein Kohlekraftwerk gebaut wird. Jeder Einzelne, der nicht Teil eines Problems sein will, hat hingegen heute die Wahl, ein Elektroauto zu kaufen.

Sie erwähnen gerne die «Tour de Sol», ein Solarautorennen durch die Schweiz aus den 80er-Jahren. Was hat Sie daran begeistert?

Die «Tour de Sol» hat mich geprägt! Das waren tolle Autos, die mit Sonnenlicht angetrieben wurden und selbst bei Regen von Emmen bis nach Biel fahren konnten. Wer ein solches Auto gebaut hatte, konnte an diesem Rennen mitmachen. Mitgefahren sind Rennmaschinen, aber auch ganz alltagstaugliche Autos. Um dem Tross mit dem Fahrrad hinterherzufahren, habe ich damals sogar die Schule geschwänzt.

Inwieweit lassen sich diese Solarautos mit den heutigen Elektroautos vergleichen?

Da bin ich heute natürlich ein Stück weit enttäuscht: Die «Tour de Sol» hat gezeigt, wie man mit wenig Energie Autofahren kann – mit sehr leichten Fahrzeugen und mit kleinen Batterien. Solche Autos konnten sich nicht durchsetzen. Nicht, weil die Technologie nicht da gewesen wäre, sondern weil die Gesellschaft sie nicht wollte. Es hat ein paar Jahre gedauert, bis ein Elon Musk die Idee hatte, mit dem «Tesla» ein Auto zu bauen, das enorm schnell und schwer ist und viel Strom verbraucht – dabei aber den totalen Luxus bietet. Das ist für mich auch ein Beweis dafür, dass es bei den Menschen nicht ankommt, den Verzicht zu predigen.

Ihre Lust, unterwegs zu sein, haben Sie in jungen Jahren aber nicht mit einem Auto, sondern mit dem Velo auf einer Reise durch Afrika ausgelebt.

Ich wollte schon damals ein Elektroauto mit Solarzellen kaufen. Das gab es aber noch nicht und so habe ich halt das Fahrrad genommen.

Wäre nicht eine Reise um die Welt auf einem solarbetriebenen Velo die logische Folge gewesen?

Anfang der 90er-Jahre gab es noch keine E-Bikes. Später konnte ich einfach zuschauen, wie sich die E-Bikes durchgesetzt haben – zuerst bei der älteren Generation, heute bei der ganzen Bevölkerung. Das freut mich sehr. Wir haben wirklich viele Alternativen zum benzinbetriebenen Auto; das E-Bike ist eine ganz wichtige.

Seit 2011 organisieren Sie die «Wave», eine E-Mobil-Rally durch die Schweiz. Wie kam es dazu?

Ich habe einen Aufruf in meinem Bekanntenkreis gemacht: «Wir fahren mit Elektroautos von Paris nach Prag und machen in verschiedenen Städten Halt, um Werbung für Elektroautos zu machen.» Zu Beginn waren fast ausschliesslich selbstgebaute Autos dabei. Von Jahr zu Jahr kamen immer mehr Serienmodelle dazu, inzwischen kommen auf hundert Autos noch drei Eigenbauten.

Elektroautos lösen aber das Verkehrsproblem nicht.

In meinem Herzen bin ich Velofahrer, ich möchte am liebsten Velos promoten. Aber wir leben nicht in einer Diktatur. Wer Velo fahren will, fährt schon Velo; wer mit dem ÖV fahren will, fährt schon mit dem ÖV. Wir müssen die Autofahrer dazu bewegen, über andere Möglichkeiten nachzudenken. Das ist sehr schwierig. Verzicht predigen funktioniert nicht. Deshalb geben wir ihnen weiterhin ein Auto. Wenn sie im Stau stehen wollen, sollen sie das tun. Sie sollen dabei aber keine Abgase und keinen Lärm mehr machen.

Im Mai werden VCS-Mitglieder die Möglichkeit haben, an der «Wave» teilzunehmen. Wovon können sie profitieren?

Die «Wave» ist ein gesellschaftlicher Anlass. Man trifft auf gleichgesinnte Menschen, kann sich austauschen und gemeinsam et was erleben. Und man kann ein Elektroauto testen. Gerade wer eher vorsichtig ist, wird schnell merken, wie gut und einfach es funktioniert. Bei der «Wave» hilft jeder jedem. Das ist ein sehr schöner Rahmen, um sich mit der Elektromobilität vertraut zu machen.

An der «Wave» 2022 werden Sie den «Solar Butterfly» präsentieren. Was hat es damit auf sich?

Der «Solar Butterfly» ist ein «Tiny-House», das von einem Elektroauto gezogen wird. Der Schmetterling ist ein Symbol für die Transformation. Der «Solar Butterfly» ist 10 Meter lang und 15 Meter breit und hat riesige ausklappbare Flügel voller Solarzellen. Im Innern befindet sich ein Videostudio und wir werden damit Klimapioniere auf der ganzen Welt besuchen.

Im Rahmen der «Wave» wird der «Solar Butterfly» während drei Wochen durch die ganze Schweiz fahren. In dieser Zeit wollen wir tollen Lösungen für den Klimaschutz Aufmerksamkeit schenken – zusammen mit der «Wave», mit Schulen, mit der Bevölkerung, mit der Politik. Im Anschluss geht es während fünf Monaten quer durch Europa, ein Jahr später nach Nordamerika, dann nach Asien, Australien und Afrika. Das Ziel ist Paris im Dezember 2025. Dann wird das Pariser Klimaabkommen zehn Jahre alt. Wir wollen sehen, was auf der Welt hinsichtlich Umsetzung passiert ist.

Ihnen geht es um weit mehr als bloss um die Vorteile der Elektromobilität?

Wir wollen den Fokus auf Lösungen gegen den Klimawandel setzen. Mehr als die Hälfte des weltweiten CO2-Ausstosses könnten wir mit Solarenergie auffangen. Es gibt aber noch viel mehr zu tun: Kleider, die man kompostieren kann, Fahrräder, nachhaltige Tourismusbranchen, nachhaltige Finanzierungen und Banken… Wenn Klimaschutz nicht staatlich verordnet werden kann, wollen wir den Menschen zeigen: «Schaut, diese Lösungen gibt es». Nachher haben alle die Wahl: Entweder ist man Teil des Problems oder man ist Teil der Lösung. Und ich glaube, die Mehrheit der Menschen will Teil der Lösung sein.

Der «Solar Butterfly» ist also gewissermassen eine Weiterentwicklung des «Solartaxis»?

Ja, mit dem «Solartaxi» hatte ich auch eine positive Mission. Nämlich eine Weltreise, um zu zeigen, dass es Lösungen gegen den Klimawandel gibt. Und das mit einem auffallenden Fahrzeug.

Der «Solar Butterfly» ist ein Unikat, das Sie gemeinsam mit der Hochschule Luzern entwickelt haben.

Genau, und er wird von verschiedenen Partnern in der Schweiz gebaut. Die Sponsoren haben wir gefunden und das freut mich sehr. Weil der «Solar Butterfly» von einem Elektroauto gezogen wird, ist es «nur» ein Anhänger und damit nicht so schwierig umzusetzen.

Können Sie bereits verraten, wen Sie im Sommer in der Schweiz besuchen werden?

Die Firma «Kyburz» macht elektrische Motorräder für «Die Post» und ist sicher ein interessantes Projekt, oder «Maxon» in Sachseln, die bauen E-Antriebe für Fahrräder. Es gibt auch spannende Projekte aus der Zivilgesellschaft, in Glarus möchte ich zum Beispiel die Klimajugend besuchen.

Werden Sie überall selbst mit dabei sein?

Sicher in der Schweiz, danach werde ich das Projekt an ein Team übergeben und von zu Hause aus betreuen. Wir suchen übrigens noch Mitfahrerinnen und Mitfahrer, Social-Media-Profis oder Videoleute. Es werden immer vier Leute für ein paar Wochen mitfahren.

    

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