#Autobahn-Bauwahn

Der Autobahn-Ausbau ist ein Teufelskreis

Ruedi Blumer  7. Dezember 2023
Quelle: verkehrsmonitor.ch

Sofern es nach der Verkehrskommission geht, soll also auch der Ständerat die Autobahn A1 ausbauen. Auf «mindestens sechs Spuren», wie Motionär Erich Hess in seinem Vorstoss vorsorglich schreibt. Und natürlich schwadroniert er von der Zehn-Millionen-Schweiz. Und von der gebeutelten Wirtschaft, deren Cammioneure stundenweise stehen statt fahren. Ja, es gibt durchaus Probleme. Aber mehr Autobahn-Spuren lösen sie nicht. Im Gegenteil: Mittelfristig verschärfen sie die Situation.

Der New Yorker Verkehrsplaner Lewis Mumford hat es einst so ausgedrückt: «Breitere Strassen zu bauen, um den Stau zu verringern, ist genauso wie seinen Hosengürtel zu öffnen, um Übergewicht loszuwerden.» Das Zitat ist treffend. Schon Mitte der 1950er-Jahre erkannte Mumford: Mehr und breitere Strassen ziehen mehr Verkehr an.

Jedes Mal, wenn es eng wurde auf den Strassen, sind hierzulande die Bagger aufgefahren. Strassen wurden verbreitert, neue Kapazitäten geschaffen. Das hat jeweils für eine kurze Zeit gewirkt und es gab an den neuralgischen Stellen weniger Staus. Doch ein paar Jahre später wurde es schon wieder eng. Und was hat man gemacht? Die Bagger sind aufgefahren, Strassen wurden verbreitert, neue Kapazitäten geschaffen. Gelernt hat man nichts – der Teufelskreis wurde ausgeblendet.

Erneut soll also der Ständerat, ebenso wie zuvor der Bundesrat und der Nationalrat, die Verkehrsprobleme mit dem Bagger lösen. Gleich hektarweise wird Kulturland geopfert und zubetoniert. Es wird noch mehr Lärm produziert und noch mehr CO2 generiert. Und dieser Entscheid fällt ausgerechnet in jenem Jahr, in welchem die Schweizer Stimmbevölkerung dem Klimaschutz-Gesetz klar und deutlich zustimmte. Es ist, als ob die Politik gleich auf beiden Ohren taub wäre – oder sich schlicht um den Volkswillen foutiert.

Der Fall ist ein höchst anschauliches Beispiel, wie nonchalant in Bern zuweilen politisiert wird. Dafür blende ich in die Herbstsession der eidgenössischen Räte zurück: Das Autobahn-Ausbaupaket STEP 2023 – notabene ein 5,3‑Milliarden-Budgetposten – wurde da genehmigt. Und nur wenige Tage später schickt sich der Nationalrat an und winkt den A1-Ausbau auch noch durch. Mit Kostenfolgen – gemäss Bundesrat – von satten 9,45 Milliarden Franken. Und der Ständerat – einst die Denkkammer des Parlaments – soll gemäss Kommissionswillen dem Vorhaben nun auch noch zustimmen? Diese Gleichgültigkeit der Parlamentsmehrheit gegenüber Umwelt, Klima und Lebensgrundlagen kommender Generationen ist unerhört.

Der VCS Schweiz hat zusammen mit zahlreichen weiteren Organisationen und Parteien das Referendum gegen den Autobahn-Ausbau ergriffen. Der Verlauf der Unterschriftensammlung und die grosse Zustimmung gegenüber unserem Anliegen hat selbst mich überrascht  Die Masslosigkeit der Autobahn-Befürworter könnte sich an der Abstimmungsurne rächen.

Letztlich kennen wir die Rezepte gegen den Verkehrskollaps aus dem Effeff: Investitionen in den öffentlichen Verkehr entlasten die Nadelöhre der Strassen. Ein konsequenter und rascher Ausbau der Velowege und Verbesserungen für Fussgängerinnen und Fussgänger greifen auf kürzeren Wegen. Das ist wirksam und flächeneffizient – da müssen wir hin. Hilfreich kann auch Home-Office statt Rush-Hour sein. Der Ausbau der Autobahnen hingegen ist der kulturlandfressende Dinosaurier der Verkehrspolitik – und wie es denen ergangen ist, ist hinlänglich bekannt.

 

Der Beitrag erschien im Rahmen einer Pro-Contra-Debatte am 7. Dezember 2023 auf verkehrsmonitor.ch.

 

Ruedi Blumer

7. Dezember 2023


Ruedi Blumer, VCS-Präsident

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