#Einkaufsmobilität

No parking, no business?

Camille Marion – VCS-Magazin 3/2022

Entgegen der landläufigen Meinung geht es den Stadtzentren, in denen der Verkehr reduziert wurde, wirtschaftlich sehr gut. Zahlreiche internationale Beispiele belegen dies. Auch die Schweiz beweist sich erfolgreich.

Aus den glorreichen Jahren der Nachkriegszeit nehmen wir lieber die musikalischen Inspirationen mit als die städtebaulichen Massnahmen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs entwickelten sich die Städte vorrangig um das Auto herum, das für Freiheit und sozialen Erfolg stand.
In den 1950er-Jahren verfasste der kolumbianisch-amerikanische Ökonom Bernardo Trujillo eine Reihe theoretischer Grundsätze für den Grosshandel. Er lieferte insbesondere die Formel «no parking, no business», gemäss der jeder Parkplatz Umsatz generiert. Seither haben sich die Gewohnheiten in den Bereichen Einkauf und Transport verändert.
Projekte zur Aufwertung des öffentlichen Raums, die auf eine Verringerung des Autoverkehrs abzielen, sorgen bei Geschäft inhaberinnen und -inhabern oftmals für Aufschreie, denn diese fürchten eine Abnahme der Besucherzahlen infolge des Wegfalls der Parkplätze vor ihrem Schaufenster. Auch wenn diese Befürchtungen auf den ersten Blick berechtigt erscheinen, beweisen mehrere aktuelle Beispiele das Gegenteil.

Velos steigern den Umsatz

Die Organisation «Rue de l’avenir» hat verschiedene Studien über die Auswirkungen des Ersatzes der Parkplätze durch Velowege in Einkaufsstrassen zusammengetragen. Von Vancouver über Dublin bis Melbourne ist das Fazit einstimmig: Die Geschäfte erleiden keinerlei Umsatzeinbussen – im Gegenteil. Velofahrende geben im Allgemeinen zwar weniger Geld pro Besuch aus als Autofahrende, gehen aber öfter in die Geschäfte und leisten so über gesamte Zeit gar einen grösseren Beitrag zum Wachstum der lokalen Wirtschaft. 
In Graz und Bristol durchgeführte Vergleichsstudien zeigen darüber hinaus einen Fehler in der Wahrnehmung auf: Geschäft inhaberinnen und -inhaber neigen dazu, den Kundenanteil, der mit dem Auto hinfährt, zu überschätzen, und den Anteil, der zu Fuss, mit dem Velo oder dem öffe tlichen Verkehr kommt, zu unterschätzen.

Verlangsamung und Wiederbelebung 

Auch in der Schweiz gibt es immer mehr positive Beispiele. In Neuenburg bewährt sich die Fussgängerzone seit vielen Jahren und erfindet sich immer wieder neu. Nach einer überzeugenden Testphase wurden diesen Sommer neue Massnahmen zur Steigerung ihrer Attraktivität umgesetzt – insbesondere zusätzliche Veloparkplätze und das strikte Zufahrtsverbot ausserhalb der Lieferzeiten.
In Burgdorf (BE) räumte vor mehr als zwanzig Jahren die Schaffung der ersten Begegnungszone der Schweiz dem Fuss- und Veloverkehr im öffentlichen Raum Priorität ein. Bereits in den ersten Monaten erfolgte eine allgemeine Beruhigung – ein neuer Rhythmus, der den Geschäften zugutekam, denn die Kundschaft wird eher verführt, wenn sie an einem Schaufenster vorbeigeht.
Die Fortbewegung mit dem Velo, zu Fuss oder mit dem öffe tlichen Verkehr trägt also zur Wiederbelebung der Stadtzentren bei. Nun gilt es nur noch, die Behörden und die Geschäftsinhaberinnen und -inhaber davon zu überzeugen. Denn sie alle können nur gewinnen.

Camille Marion ist Co-Redaktionsleiterin des VCS-Magazins. 

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