Der Rest gehört Auerhuhn & Co.

La Dôle, Mont Tendre oder der Chasseral gehören zur Juragipfel-Prominenz. Aber Le Noirmont und Mont Sâla? Bei ihnen klaffen Bekanntheitsgrad und Erlebniswert ziemlich auseinander.

Eigentlich wollten wir schon Mitte Dezember hin. Wollten wieder Quartier beziehen im Franco-Suisse in La Cure, diesem Unikum von Hotel, das man von Frankreich und der Schweiz her betreten kann. Eingeklemmt zwischen zwei Hauptstrassen, originell bis leicht kitschig eingerichtet, atmet es lokale und internationale Geschichte, dokumentiert in Vitrinen und an Wänden, auf Fotos, in Form von Schriftstücken und Objekten. 1961 war es gar Schauplatz von Verhandlungen zur Beilegung des Algerienkriegs. 2020 / 2021 erregte es mediale Aufmerksamkeit als Refugium von durch die Pandemie getrennten binationalen Liebespaaren.

In der vorherigen Wintersaison erwischten wir Anfang Februar den einzigen günstigen Moment. Diesen Dezember wären Gummistiefel wohl dienlicher gewesen als Schneeschuhe. Und so sind wir nun am Neujahrstag in St-Cergue aufgebrochen, um entlang dem Wanderweg über Mont Roux, Grande Enne und Les Pralets den Mont Sâla zu besteigen. Vom Silvesterschnee profitierend, bevor am 2. Januar den Prognosen zufolge der nächste Regensturm die ganze Pracht wieder wegfegen wird. Wir ziehen über schneebedeckte Feldwege und Strässchen und stossen kurz nach Grande Enne auf die berühmte Langlaufroute La Givrine – Col du Marchairuz. Keine Spur von einer Loipe, und in Les Pralets, wo wir im Vorjahr eine nahrhafte Suppe genossen, sind die Läden dicht.

Ab hier sind wir auf der offiziellen Schneeschuh-Route. Wolken, leichtes Schneetreiben und Sonnenschein wechseln sich ab beim Aufstieg durch den immer tiefer verschneiten Tannenwald. Am schönsten ist es, wenn die Flocken durch die Strahlen tanzen. Auf der Hochebene rund um Le Couchant, die beeindruckende Dolinen aufweist, wird uns vollends bewusst, wie still es ist. Das mittlerweile diffuse Licht verstärkt das Gefühl von Weltabgeschiedenheit.

Oft geht’s sogar ohne Schneeschuhe

Ruhe schätzt auch die Fauna, ganz besonders im Winter. Und weil wir uns im eidgenössischen Jagdbanngebiet Le Noirmont bewegen, gilt es erst recht, möglichst strikt dem Wanderweg zu folgen. Von da, wo man die Hochebene betritt, bis Creux Devant kann das anspruchsvoll sein, weil hier oft keine Ortskundigen vorgespurt haben. Fast sicher in den Fussstapfen anderer geht man dann aber auf dem letzten Wegstück zum Gipfel des Mont Sâla (1510 m ü. M.). Nach gut drei-einhalb Stunden eröffnet sich uns von einer Sekunde auf die andere ein grossartiger Blick auf den Genfersee und den Alpenkranz mit dem Mont Blanc.

Räkelten wir uns letztes Mal an der Sonne – eine dicke Wolkenwurst bewundernd, die sich genau von der Spitze der La Dôle bis ins Chablais hinüberzog –, vertreibt uns heute alsbald ein böiger Westwind. Es folgt ein leichtes Auf und Ab durch den wunderschönen Wald zwischen Creux Devant und Le Croue. Würde die Trittspur fehlen und womöglich noch Schnee die gelben Rhomben an Baumstämmen überdecken, müssten wir wohl da und dort unsern Spürsinn bemühen. Doch die Route ist so beliebt, dass wir hier noch kein einziges Mal die Schneeschuhe anschnallen mussten.

Das heisst auch: Von La Cure (1155 m) aus ist der Sâla leichter zugänglich. Der Zustieg über Les Coppettes und L’Arzière ist von sehr sanfter Art, und die Sichtverhältnisse müssten schon extrem schlecht sein, damit Zweifel am Wegverlauf bis Le Croue aufkommen könnten. In Gegenrichtung unterwegs, brauchen wir nur gute zwei Stunden vom Gipfel ans Ziel, wo das «Mamac», auf dessen regionales Bier wir uns freuten, leider zu ist.

Viel weiter herumgekommen als geplant

Versagt bleibt uns auch eine Reprise des Sonnenuntergangs vom 3. Februar 2023, der landesweit Schlagzeilen machte. Wohl weit länger als eine Stunde sahen wir – auf der ganz grossen Bühne – dabei zu, wie am Himmel in seltener Intensität das Farbenspektrum durchdekliniert wurde. Und damit sind wir beim Noirmont (1567 m), von dem wir damals zurückkehrten. In gut anderthalb Stunden hat man ihn oder zumindest den Vorgipfel von La Cure aus erobert. Auch in diesem Fall folgt man von A bis Z dem Wanderweg – und gibt dabei Acht, die Abzweigung von der Waldschneise, durch die man längere Zeit aufsteigt, hinüber auf die Krete nicht zu verpassen. Zu schade wäre es um die Aussicht, die sich dort auf Schritt und Tritt bietet.

Die Skilifte auf der Nordwestseite des Bergs, mit Start in Frankreich und Ankunft in der Schweiz, standen still. Den Skitourengehern, die unterwegs waren, wird’s recht gewesen sein. Uns war vor allem recht, dass der Pfad bis ganz oben gut ausgetreten war, führt er doch in einem Gegenabstieg kurz über Stock und Stein. Nicht genug damit: Die perfekte Spur führte weiter, verführte uns spontan in die magische Landschaft rund um den Talkessel Creux du Croue, wo beim Steilabstieg vom (Panorama-)Punkt 1547 m nochmals Vorsicht geboten war, das heisst gebührender Abstand zur Felskante. Aus der geplanten Einstiegstour auf den Noirmont und zurück wurde eine vier- bis fünfstündige Rundtour via Le Croue.

Es hat uns gepackt. Der nächste Plan ist, von La Cure aus Noirmont oder Sâla oder gleich beide zu besuchen, dann aber nicht retour oder den weiten Weg nach St-Cergue (1041 m) zu gehen, sondern von Creux Devant grenzüberschreitend nach Boisd’Amont, das im Tal des Lac des Rousses und damit an der ganz jungen Orbe liegt. Sollte sich dort keine gefällige Unterkunft finden und weder der Ski- noch ein regulärer Bus fahren, werden wir einen Weg finden, uns von dort nach La Cure chauffieren zu lassen. Heim zur Wirtefamilie, die dem Label «Franco-Suisse» auch insofern gerecht wird, als die einen hüben und die andern drüben leben, teils auch mit zwei Pässen.

Und da sind wir also am 1. Januar 2024, um die Küche nochmals zu testen. Doch wir kommen nicht über den Apéro hinaus: Es lässt sich bei bestem Willen kein freier Tisch mehr finden. Das sagt ja auch einiges.

Praktische Informationen

Anreise: mit SBB nach Nyon und mit der NStCM nach St-Cergue oder La Cure. Für die offizielle, markierte Schneeschuhtour St-Cergue–La Cure vgl. VCS-Magazin 1/2023.
Karte: z. B. Landeskarte 260 St-Cergue, 1:50 000. Unterhaltsamer Blick hinter die Kulissen eines binationalen Hotelbetriebs im Beitrag «Das Hotel auf der Grenze» auf www.bazg.admin.ch

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