Vom Kommissar keine Spur

Die Krimis von Jean-Luc Bannalec machen Lust auf die Bretagne. Mit dem Velo zwischen Brest und Pont-Aven auf den Spuren von Kommissar Dupin.

«Kommissar Dupin? Nie gehört», beteuert der freundliche Rezeptionist im Hotel Abalys, nur wenige hundert Fussschritte vom Bahnhof Brest entfernt. «Aber was wollen Sie einem fiktiven Kommissar nachspüren. Hier gibt es so viel Schönes zu sehen.» Der auskunftsfreudige junge Mann empfiehlt einen Ausflug auf die Insel Ouessant. Ins schmucke Küstenstädtchen Le Conquet führt der einsame Weg, und von hier nordwärts zum kleinen Hafendorf Lanildut. Doch es fährt kein Schiff nach Ouessant. Ende September ist die Hauptsaison vorüber, der Schiffsbetrieb auf wenige Wochentage reduziert. Die Insel behält ihre landschaftlichen Reize für sich.

Also doch dem sympathischen Polizisten nachspüren, der in den Krimis von Jean-Luc Bannalec knifflige Fälle löst und so seit ein paar Jahren viele Reiselustige aus dem deutschen Sprachraum in die Bretagne lockt. Vielleicht sind die Aussichten, dem kauzigen Kommissar weiter südlich zu begegnen, erfolgversprechender. Schliesslich ist sein Ermittlungsgebiet die Umgebung von Concarneau mit dem pittoresken Künstlerstädtchen Pont-Aven, den sagenumwobenen Glénan-Inseln und der Halbinsel Guérande mit ihren weissen Salzgärten.

Auf dem Weg dorthin lohnt ein Zwischenhalt in der Kleinstadt Quimper. Vor der imposanten Kathedrale Saint Corentin hält eine Spitzenklöpplerin in bretonischer Tracht ihre handwerklichen Arbeiten feil. Auf der weiten Terrasse des Café Finistère lässt sich bei «moules et frites» vergnüglich das lebhafte Treiben auf dem grossen Platz bei der Kathedrale verfolgen. Unter strahlender Sonne ist die Stimmung friedlich. Dunkle Gestalten sind ebenso weit weg wie Kommissar Dupin.

Erst nach der Weiterfahrt ins gut 20 Kilometer entfernte, am Atlantik gelegene Concarneau kommt etwas Krimistimmung auf. Zwar fehlt auch hier vom Kommissar jede Spur. Dafür ist seine Lieblingsbeiz, das L’Amiral, leicht auszumachen. Und das saftige und würzige Entrecôte, dem Dupin fast nie widerstehen kann, steht tatsächlich auf der Karte – für 21.50 Euro. Gerade richtig, um den Mordshunger nach einer langen Tagestour auf dem Velo zu stillen.

Direkt gegenüber liegt die Ville close, das von Wasser umspülte historische Zentrum von Concarneau. Ein einsamer Rundgang über Les remparts – die mittelalterliche Stadtmauer – sorgt bei einbrechender Abenddämmerung vorerst für ein leicht mulmiges Gefühl, schliesslich aber für einen spektakulären Ausblick auf den Hafen mit im Mondlicht schaukelnden Segelbooten und Fischkuttern. Innerhalb der Ville close locken Souvenirläden, ein Fischereimuseum und kleine Restaurants.

Noch tiefer ins Revier von Kommissar Dupin dringt vor, wer einen Ausflug nach Pont-Aven wagt. Das berühmte Künstlerdorf ist ab Concarneau auf wenig befahrenen Strassen bequem in gut einer Velostunde erreichbar. Es ist Schauplatz von «Bretonische Verhältnisse», jenem verzwickten Fall, bei dem Kommissar Dupin den Mord an einem greisen Hotelier aufklärt. Im Zentrum des Krimis steht ein Gemälde des Impressionisten Paul Gauguin, das während Jahren unerkannt zwischen zahlreichen Gemälden anderer Maler an den Wänden in den Räumen des Hotels Central gehangen hat.

Doch selbst in Pont-Aven bleibt die Spurensuche vage. Ein Hotel Central gibt es hier nicht, und in der Gendarmerie an der Rue Emile Bernard arbeitet kein Georges Dupin. Gauguin aber hat um 1886 tatsächlich im schmucken Städtchen am Fluss Aven gewirkt – wie viele andere Künstler auch. Zahlreiche Galerien bezeugen den Ruf als «Stadt der Maler». Darüber hinaus animieren kleine Gassen mit Restaurants, Strassencafés und Spezialitätenläden mit bretonischen Süssigkeiten oder Ölsardinen in bunt bedruckten Dosen zum Flanieren. Mitten im Ort ist da noch das kleine Hotel Les Ajoncs d’Or. Wer den mit Gemälden voll behangenen Speisesaal betritt, macht verunsichert kehrt und schaut draussen an der Fassade nach, ob da nicht doch Hotel Central steht. Tut es nicht. Doch Bannalecs Geschichte spielt tatsächlich hier. Der Hotelbesitzer soll aber sein Veto gegen den realen Hotelnamen eingelegt haben. So wurde im Krimi aus Les Ajoncs d’Or das Hotel Central.

Ebenso schwierig aufzuspüren wie Kommissar Dupin ist der Autor. Jean-Luc Bannalec ist ein Mann ohne Gesicht. Der Name ein Pseudonym. Wer wirklich dahintersteckt, ist bis heute ein vom Verlag gehütetes Geheimnis. Deutsche Literaturkritiker vermuten, dahinter verberge sich Jörg Bong, Leiter des S.-Fischer-Verlags. Kein Wunder, ist den Bretonen Kommissar Dupin bisher kein Begriff. Bannalec dagegen schon. Aber nicht als Krimiautor, sondern als Kleinstadt, 15 Kilometer nördlich von Pont-Aven.

Informationen zur Reise

An-/Rückreise: Ab Genf drei TGV-Verbindungen täglich, Dauer rund 9 Stunden, alle über Paris mit einmal Umsteigen. www.sbb.ch

Route: Die rund 150 km lange Strecke von Brest nach Pont-Aven lässt sich mit dem Velo locker in vier bis fünf Tagesetappen bewältigen. Es empfiehlt sich, in Brest die Fähre nach Le Fret auf der Halbinsel Crozon zu nehmen. Hier führen einsame Wege durch eine wunderschöne Landschaft via Camaret-sur-Mer und Crozon Richtung Quimper, Concarneau und Pont-Aven.

Literatur: Eine ebenso unterhaltsame wie anschauliche Einstimmung in die Bretagne liefern die Krimis von Jean-Luc Bannalec. Nach «Bretonische Verhältnisse» und «Bretonische Brandung» ist 2014 mit «Bretonisches Gold» der dritte Fall für Kommissar Georges Dupin erschienen.

Essen:

Brest: Maison Ocean, im Hafen. Frische Meeresfrüchte Fischsuppe, Fisch; preiswert, gut, authentisch. www.ambroisie-quimper.com

Quimper: L’Ambroisie, 49, rue Elie Fréon. Seit über 20 Jahren eine der besten gastronomischen Adressen von Quimper. Zeitgenössische bretonische Küche mit frischen, regionalen Produkten. www.restaurant-fruit-mer-brest.com

Concarneau: L’Amiral, 1, avenue Pierre-Guéguin. Eine Institution direkt gegenüber der Ville close, in der sich schon Georges Simenon für seine Maigret-Geschichten inspirieren liess. Leichte, raffinierte Fischküche; saftige und würzige Entrecôtes. http://www.restaurant-amiral.com/fr

 

Le Penfret: Das kleine Bistro bietet ausgezeichnete, regionale Küche zu vernünftigen Preisen: Für gut 30 Euro ist ein feines Menü (Coquilles Saint Jacques, Poisson du jour, Dessert) inklusive 3/8 Flasche Sancerre zu haben.

 

Einkaufen

Pont-Aven: Biscuiterie Traou Mad, 10, place Gauguin. Seit 1920 stellt das Traditionsunternehmen auf handwerklicher Basis köstliche Biskuits und die famosen Galettes de Pont-Aven (Butterkeckse) her. www.traoumad.fr

 

Übernachten

Pont-Aven: Les Ajoncs D’or, 1, place De L’hôtel De Ville. Das gemütliche, sympathische Hotel mit einem Speisesaal voller Gemälde bietet 14 Zimmer für weniger als 100 Franken pro Nacht. Der perfekte «Tatort» um sich in Bannalecs «Bretonische Verhältnisse» zu vertiefen. www.ajoncsdor-pontaven.com

  

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