Immer der grünen Linie nach

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Ein Ritt auf einem zwölf Meter hohen Elefant, ein Basketbaum, aber auch eine ehrliche Aufarbeitung der eigenen Geschichte: Nantes ist eine fröhliche und gleichzeitig tiefgründige Stadt.

Auf dem Stadtplan irritiert die grüne Linie zuerst. Und damit erfüllt sie ihren Zweck. Nantes ist reich an Geschichten, an historischen und selbst erfundenen. Historisch ist Nantes das Tor zur Bretagne, im Hof des «Château des ducs de Bretagne» erfährt man etwa, dass Anne de Bretagne die einzige Französin war, die zwei Mal französische Königin war. Und am Ufer der Loire steht das «Memorial de l’abolition de l’esclavage». Denn mit dem Sklavenhandel wurde Nantes ab Mitte des 17. Jahrhunderts reich und mächtig. Wie dieses düstere Kapitel aufgearbeitet wurde, ist beeindruckend: Wie in einem Schiffsrumpf schwappt das Wasser an die Gedenkstätte, die unter der Uferpromenade liegt. Auf einem Rundgang sind die Fakten aufgelistet, aber vor allem kommen diejenigen zu Wort, die verkauft und verschleppt wurden. Ihre Worte lassen einen schaudern und nachdenken – wie halten wir es eigentlich heute mit den Menschenrechten? An der Uferpromenade sind kleine Glasrechtecke mit den Namen der 1710 Schiffe eingelassen, die von Nantes losgefahren sind. Deren Namen – «La Fortune» oder «Nouvelle Vie» – wirken höhnisch. 

Ein Plan für die Insel

Gleich gegenüber dem Memorial ist die Insel von Nantes. Und da ist die Geschichte etwas fröhlicher. Bis 1987 wurden hier Schiffe gebaut und ins Wasser gelassen. Danach war Schluss: Die Loire versandet nach und nach, jedes Jahr muss gebaggert werden. Und die Industrie zog näher Richtung Meer. Die Stadt fand sich mit einer Insel voller leerer Industriebauten wieder. Und statt zu resignieren und das Feld Investoren zu überlassen, die phantasielose Luxusbauten mit seelenlosen Einkaufszentren hinklotzen, nahm man die Aufgabe an. Die Gesellschaft Samoa (Société d'Aménagement de la Métropole Ouest Atlantique) wurde gegründet und nun gibt es einen städtebaulichen Plan für die Insel. Hinter dem von Jean Nouvel konzipierten Palais de Justice steht die Hochschule für Architektur, gerade entsteht in ehemaligen Alstom-Werkshallen unter anderem ein Restaurant. Wer weiter spaziert, entdeckt eine komplett begrünte Schule neben einer Sozialsiedlung, aber auch schicke Wohnungen. Abgeschlossen ist die Entwicklung nicht, gewisse Gebäude sind als Zwischennutzungen konzipiert und zwei grosse Kräne erinnern ganz an die Industrievergangenheit. Nachhaltige Entwicklung klingt nach viel Papier und komplizierten Konzepten – das Resultat ist in Nantes lustvoll und unverkrampft. 

Hallo Elefant!

Wer auf der Insel herumspaziert, macht kuriose Begegnungen: Ein britischer Fussgängerstreifen, ein blaues Häuschen, das auch schon als liegengelassener Kaugummi beschrieben wurde, aber eine winzige Bar ist. Und dann und wann trifft man den grossen Elefanten, der zu einem der Wahrzeichen der Stadt geworden ist. Zwölf Meter hoch ist er, majestätisch spaziert er mit seinen 50 Reiterinnen und Reiter an einem vorbei. Eine riesige Maschine, wunderschön kombiniert aus Holz und Metall, entstanden in einer der Werkstätten, in denen früher Schiffe gebaut wurden. 

Kunst leben

Bloss: Wie kommt man auf die Idee, einen mechanischen Elefanten zu bauen? Der Elefant und seine Kollegen vom Meereskarussell sind der lebhaften Phantasie von Pierre Orefice und François Delarozière entsprungen. Ehemals Strassenkünstler beleben die beiden nun die Insel mit ihren mechanischen Inszenierungen. Und damit sind wir wieder bei der grünen Linie: Sie führt einen zu Kunstwerken von «Voyage à Nantes». Zum einen ist das eine Organisation, die rund 300 Personen beschäftigt und mit der Verwaltung von touristischen und kulturellen Stätten betraut ist, dem «Memorial» etwa oder den «Machines de l’île». Zum anderen ist «Voyage à Nantes» ein Ereignis an sich. Eine Kunstausstellung im Sommer, die sich über die ganze Stadt erstreckt. Wobei Ausstellung viel zu trocken tönt: Der Basketbaum etwa war so beliebt, dass er behalten wurde. Einige der Werke sind immer zu sehen, zu berühren und zu nutzen, andere verschwinden im Herbst wieder. Die Gruppe wagt immer wieder Neues. Dieses Jahr etwa wurde das «Nantes Food Forum» zum ersten Mal durchgeführt. Dazu gehörten neben Diskussionen und Vorträgen auch, dass der Grossmarkt morgens um halb fünf besucht werden konnte oder dass Sterneköche ein Slow-Food-Menu mit Zutaten aus der Region kochten.

Mittendrin ohne Autos

Die Tage verfliegen in Nantes. Es ist leicht, die Stadt ins Herz zu schliessen und sich wohl zu fühlen: Die Innenstadt ist autofrei, Parkplätze sind zu Terrassen geworden, man sitzt draussen. Um die Apérozeit herum ist Nantes eine wohltuend entspannte, fröhliche Stadt, in der man sich kennt. Links und rechts wird gegrüsst und geplaudert, in den engen Gässchen des mittelalterlichen Teils der Stadt, aber auch auf der eleganten Place Graslin. Dort findet man mit der «Cigale» eine Brasserie, die ihresgleichen sucht. Hohe Räume, Malereien, Wandkeramiken und mittendrin die Statue einer Grille, die ein bisschen an Biene Maja erinnert. Die Bedienung ist jung und flink, das Essen lecker und der Muscadet süffig. Der Verdauungsspaziergang danach kann etwa zur Tour Bretagne führen. Mit dem Lift fährt man dann in den 32. Stock in die Bar «Le Nid», geniesst den Rundblick über die Stadt und nimmt dann auf einem Sessel in Eierform Platz. Künstler Jean Jullien hat die Bar ausgetüftelt, natürlich für «Voyage à Nantes». 

Anreise und Tipps

Anreise

Mit dem Zug in acht Stunden ab Bern via Basel–Paris oder Basel–Strassburg

Für den Aufenthalt in Nantes unbedingt den «Pass Nantes» lösen. Freie Fahrt mit Bus, Tram und dem Navibus, der in zehn Minuten zum pittoresken Fischerdorf Trentemoult führt. Dort steht auch «La Pendule», ein Werk von Roman Signer. www.nantes-tourisme.com/fr/pass-nantes

Essen 

Wir sind in der Bretagne, also isst man Galettes und Crêpes, etwa im «Coin des Crêpes», 2 coin des crêpes, 2 rue Armand Brossard (http://lecoindescrepes.canalblog.com/) oder bei «Mam’zelle Breizh» ab der 4 rue du chapeau rouge, (www.creperie-mamzelle-breizh.fr)

Vor allem für Fisch und einen etwas gehobeneren Rahmen empfiehlt es sich, in der «Cigale» einen Tisch zu reservieren. 2 place Graslin, www.lacigale.com

Auf der île de Nantes öffnet im Sommer die «Cantine du Voyage» ihre Pforten. Zu essen gibt’s ein Einheitsmenu (dieses Jahr Poulet und Kartoffeln aus der Umgebung) an grossen Holztische. Der Vorspeisensalat stammt aus dem eigenen Gemüsegarten gleich nebenan. Offen bis 1. Oktober 2017, danach Winterpause bis Ende April 2018. www.nantes-tourisme.com/fr/evenement-culturel/la-cantine-du-voyage

Übernachten

Gleich neben der Place Graslin liegt das «Hotel de France», mit gemütlichen Zimmern und einem üppigen Frühstücksbüffet. 

www.oceaniahotels.com

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