Lebenskunst nach Tiroler Art

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Fast 600 Dreitausender zählt das österreichische Bundesland Tirol. Ob ein jeder den Aufstieg lohnt, wie die Werbung verspricht, lässt sich auf einer dreitägigen Pressereise nicht überprüfen. Warum Tirol so beliebt ist, erschliesst sich indessen umgehend.

Lebensfrohe Gastfreundlichkeit

Speis und Trank sind der thematische Schwerpunkt unserer Tour. Vom unglaublich üppigen Frühstücksbuffet im Hotel Rieser geht’s über Jausen (Zwischenmahlzeiten) und die Verkostung lokaler Alkoholika zum Abendmahl im Kulinarikhotel Alpin in Achenkirch. Was uns da im Gourmetstüberl aus der Küche von Armin und Alexander Gründler, Vater und Sohn, aufgetragen – und so stolz wie unprätentiös kommentiert – wird, ist Haute cuisine tyrolienne vom Feinsten.

Woher kommt, fragt sich rasch einmal, wer in Österreich Ferien macht, woher kommt diese ungekünstelte Freundlichkeit allüberall? In der Kulturforschung ist davon die Rede, das Habsburgerreich mit seinem Völkergemisch habe eine Mentalität hervorgebracht, die Tugenden wie Offenheit, Gelassenheit, Sinn für den Kompromiss und auch Selbstironie zum Tragen kommen lässt. Sprachlichen Ausdruck findet dieses spezifische Savoir-vivre nicht zuletzt in der Wendung «(das) passt», «passt schon» oder ähnlich, die je nach Region und Situation Unterschiedliches bedeuten kann, häufig aber einfach signalisiert, dass es schon gut ist, wie es ist.

Überaus freundlich begegnet man uns auch auf dem Tiroler Tummelplatz der internationalen Prominenz, in Kitzbühel. Der Wintersportort von Weltruf rühmt, komplementär zum Traditionsbewusstsein, zwar seinen «Lifestyle», wirkt aber mit seinen fussgängerfreundlichen Gassen in der 700-jährigen Innenstadt nicht halb so mondän wie gewisse Konkurrenten. Ob bodenständig oder edel, die Gaststätten sind ganz einfach gastlich und gut.

Skizirkus in den Grasbergen

Obwohl nur gut 800 Meter über Meer, gilt der Geburtsort der Skiweltcups als sehr schneesicher. Einerseits dank Nordwest-Staulagen, anderseits durch den massiven Ausbau der «Beschneiungskraft». Und in riesigen Schneedepots wird das am Saisonende zusammengekratzte kostbare Weiss, dick verpackt, über den Sommer gerettet, damit es Mitte Oktober am Hahnenkamm schon wieder losgehen kann.

Rund um die «Gamsstadt» lässt es sich aber auch genussvoll rodeln, winter- und schneeschuhwandern. In der warmen Jahreszeit locken in den «Grasbergen», die bis auf über 2000 Meter hinauf von Wiesen bedeckt sind und ein wenig an die Freiburger oder Waadtländer Voralpenlandschaft erinnern, nicht weniger als 1000 km beschilderte Wanderwege.

Statt beim Gipfelfrühstück am Kitzbüheler Horn den Sonnenaufgang zu geniessen und den Alpengarten zu besuchen, kommen wir zu einem exzellenten Abschlussessen beim Hallerwirt in Aurach bei Kitzbühel, einem traditionsreichen Familienbetrieb. Eine neue Generation hat das Ruder übernommen. Bei der angegliederten landwirtschaftlichen Produktion spielt das selten gewordene, gebirgstaugliche Pinzgauer Rind eine Hauptrolle. Unser Gastgeber Jürgen Stelzhammer ist eine imposante Erscheinung mit südländischem Flair und Temperament, politisch hellwach. Seine Visionen für eine nachhaltige alpine Ökonomie paart er – insofern ganz Österreicher – mit Pragmatismus, wenn’s um die Schneekanonen geht.

Ein kaiserlicher Einstieg

Die Schweizer Reisegruppe nimmt das Regenwetter mit heim, der Schreibende fährt nach St. Johann, um sich bei Kaiserwetter dem Wilden Kaiser zuzuwenden, dem imposanten Kalkgebirge im Rücken von Kitzbühel. Die begehbare Krone seiner Majestät besteht aus Tausenden von Zacken und Türmen. Die ersten zwei Etappen des Adlerwegs (s. Kasten) führen an des Kaisers Südfuss entlang, grossartig abwechslungsreich durch Mischwälder und Alpgelände, vorbei am Schleierwasserfall, über Stock und Stein am Rand von Schuttkaren, schliesslich hinab zum lieblichen Hintersteiner See. Das Wegstück zwischen Gaudeamus- und Gruttenhütte – eine sympathischer als die andere – bildet die anspruchsvolle Schlüsselstelle, gleich oberhalb verläuft ein Klettersteig.

Was tun, wenn an der Hauptstrasse im Tal unten der letzte Bus nach Kufstein eben weg ist? Bevor ich, zügig losmarschiert, überhaupt dazu komme, den Daumen rauszustrecken, hält das zweite Auto. Am Steuer sitzt ein junger, gesprächiger Tischler, auf dem Heimweg nach Kufstein. Wo er mich zum Hotel fährt und von einer Belohnung partout nichts wissen will. «Passt schon», sagt er lächelnd.

Nützliche Informationen

An-/Rückreise

  • Von Zürich in ca. 4 Std. über Innsbruck nach Jenbach, mit dem Bus in gut 20 Min. hinauf zum Achensee. Von Kitzbühel aus ist man in ca. 5 Std. zurück in Zürich, mit oder ohne Umsteigen in Wörgl. www.achensee.com; www.kitzbuehel.com

Der Adlerweg

  • 33 Etappen, 413 Kilo- und 31 000 Höhenmeter: So der Steckbrief des bekanntesten Tiroler Weitwanderwegs. 24 Tagesetappen führen durch die Bergwelt Nordtirols, die zweite Route durchquert die Glockner- und Venediger-Gruppe in Osttirol. Die technischen und physischen Anforderungen variieren. Randnotiz: Der offiziell als Start-Unterkunft empfohlene Rummlerhof will offenbar keine Eintagesgäste mehr beherbergen. www.tirol.at/adlerweg/tourentipps-mit-oeffentlicher-anreise

«Den Regen nehmen wir wohl mit. Bis gleich im Wagon 712 des EC Transalpin.» Leider sollte Daniel Predota, Österreichs Tourismus-Botschafter in Zürich und unser Reiseleiter, Recht behalten. Kaum sind wir am Achensee (930 m ü. M.) angekommen, verschwinden die Bergkulissen in düsteren Wolkenschwaden. Einen alpinen Gardasee im Kleinformat könnte man ihn nennen: im Süden ein rundliches Becken, türkisfarben, gegen Norden ein langer Arm, flankiert vom Karwendel- und dem Rofangebirge. Er ist rundum zugänglich, der autofreie Seeuferweg von Maurach bis Achenkirch zudem ein Erlebnisparcours für Kinder. Im Hochsommer bis gut 20 Grad warm, punktet er bei Seglerinnen und Surfern mit kräftigen Windböen aus dem nahen Bayern. Und: Von Jenbach schnauft eine der weltweit ältesten Dampf-Zahnradbahnen zu ihm herauf und gewährt dort Anschluss an die Achensee-Schifffahrt.

Statt per E-Bike fahren wir mit dem Kleinbus ins Falzthurntal hinein, das schon Teil des Karwendel-Naturparks, des landesweit grössten, ist. Wie Silberfäden rinnen überall Bäche die jähen Bergflanken hinunter, während wir in der altehrwürdigen Sennhütte Falzthurn in die Kunst des perfekten Kaiserschmarrn eingeführt werden und später auf der Gramaialm den familienfreundlichen Alpgasthofbetrieb mit dem nagelneuen Natur-Spa-Paradies bewundern. Die Speisekarte, die Zimmer(preise), das Ambiente des Tals: Man käme sehr gern sehr bald wieder hin. Sei’s von oben herab nach einer Wander- oder Mountainbiketour, sei’s von Pertisau herauf auf Langlaufski.

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