Wasser, Sliwowitz und Diesel

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Unterwegs auf dem zweitlängsten Strom Europas nach Wien, Budapest und Bratislava? Gleich drei Hauptstädte mit einer glanzvollen Vergangenheit, geprägt vom ehemaligen Habsburgerreich? Eine Woche an Bord eines schwimmenden Hotels? Doch halt, was tue ich damit dem Klima an?

Prachtvolles Österreich

Frühmorgens erreicht das Schiff Melk. Die niederösterreichische Stadt ist die erste Etappe der Reise und weit herum bekannt für das über der Donau thronende Benediktinerstift. Hinter seinen gelb-weissen Fassaden verbergen sich Jahrhunderte Geschichte und zahllose Architekturperlen. Besonders bemerkenswert sind die reich geschmückte Kirche und die eindrückliche Bibliothek.

Ab Melk verliert sich der Blick in den landschaftlichen Schönheiten der Wachau. An den Hängen tauchen Rebberge und Aprikosenbäume auf, die Fahrt geht an schmucken Dörfern vorbei – immer und überall im Grünen. Gegen Abend legt das Schiff in Wien an. Österreichs Hauptstadt empfängt mich mit ihrer eindrucksvollen Kulisse und der ihr eigenen Ambiance. Den nächsten Tag verbringe ich im geschichtsträchtigen Stadtkern und in angenehm kühl gebliebenen majestätischen Stadtpalais. Die Wienerinnen und Wiener sind draussen und geniessen sichtlich das sommerliche Wetter.

Zwischen Buda und Pest

Am nächsten Morgen weckt mich ein durch das Kabinenfenster dringender Sonnenstrahl. Am Ufer zeichnet sich das ungarische Parlament ab, ein imposantes Palais, das die Macht des Königreichs Ungarn vom Anfang des 20. Jahrhunderts widerspiegelt. Die brodelnde und kosmopolitische Kapitale entstand aus den beiden Stadtteilen Buda und Pest. Am Westufer erhebt sich das alte, aristokratische Buda mit der Budaer Burg, der Fischerbastei und der Matthiaskirche, deren Majolikadach an den Wiener Stephansdom erinnert. Ich geniesse den Blick vom Burgberg auf das Häusermeer und die dahinziehende Donau und lasse mich später im gelben Tram über den Strom ins modernere, hektischere, kommerziellere Pest chauffieren.

Ich statte der Markthalle einen Besuch ab, wo sich die lokalen Spezialitäten – Salami, Paprika, frische Früchte, Fleisch und Käse – farbenfroh türmen und mir das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen. Die Fussgängerzone mit ihren Flagship-Stores lasse ich hinter mir und streife dafür durch die authentischer wirkenden Gassen bis zur eindrücklichen Stephansbasilika. Um die vielen Facetten Budapests zu erkunden, müsste ich einige Tage hier verbringen, doch das Schiff wartet, um mich von der Hauptstadt aufs Land mit seinen Traditionen zu führen.

Im Herzen der Puszta

Der Begriff Puszta bedeutet so viel wie «öde» oder «wüst» und charakterisiert die Steppenlandschaft, die sich vor uns ausbreitet, sobald das Schiff den Grossraum Budapest verlässt. Abwechselnd mit wilder Vegetation fährt es an Sonnenblumenfeldern vorbei, die gerade in Blüte stehen. Die Ungarische Tiefebene, durch die einst ganze Völker zogen, ist reich an landwirtschaftlichen und folkloristischen Traditionen, die vom Kontakt von Orient und Okzident erzählen. Der Zauber, der von den Demonstrationen der Pferdehirten (Csikósok) in ihrer traditionellen ungarischen Tracht ausgeht, erfasst auch mich. Sie dressieren ihre Pferde mit Geisseln, die sie selbst anfertigen. Vor dem Hintergrund strohbedeckter Gehöfte weiden Viehherden in ewig wirkender Ruhe.

Slowakei!

Inzwischen hat das Schiff gedreht und fährt wieder flussaufwärts in Richtung Donauknie. Es legt in der Kleinstadt Visegrád an und ich streife durch die Ruinen des mittelalterlichen Königsschlosses. Die mutigsten unter meinen Mitreisenden steigen bis hinauf auf den Hügel mit der Zitadelle und geniessen den grandiosen Panoramablick.

Danach verlässt das Schiff Ungarn und nähert sich Bratislava, der Hauptstadt der Slowakei mit ihrer geruhsamen Atmosphäre. Die turbulenteren Nachbarstädte Wien und Budapest scheinen auf einmal weit weg. Aber dass die Habsburger auch hier ihre Spuren hinterlassen haben, ist nicht zu übersehen. Ich besuche zuerst die Burg hoch über der Stadt. Mein Blick schweift über die Donau nach Ungarn und Österreich. Die Altstadt am Fuss des Burgbergs und ihre kopfsteingepflasterten Gassen laden zum Bummeln ein. Ich schaue mir den Martinsdom und das Michaelertor mit seinem Glockenturm in Zwiebelform an, lasse meine Gedanken vor den pastellfarbenen Fassaden des Hauptplatzes in längst vergangene Zeiten abschweifen und gönne mir ein Eis und ein Glas Wein aus den slowakischen Karpaten.

Auf der Heimreise

Zurück in Österreich legt das Schiff ein letztes Mal an, diesmal bei Regen, der mich aber nicht davon abhält, das pittoreske Dorf Dürnstein zu erkunden. Unter dem Schutz des Regenschirms dränge ich mich durch die engen Gassen und spaziere an der blauen Barockkirche vorbei bis zu den Rebbergen. Die mittelalterliche Burgruine wacht über das Durchbruchtal der Donau. Hier wurde im 12. Jahrhundert der englische König RichardLöwenherz gefangen gehalten. Noch eine Nacht verbringe ich an Bord, dann bin ich wieder in Passau.

Ein paar Gedanken

In einer Woche habe ich etwas mehr als tausend Kilometer auf der Donau zurückgelegt. Das Schiff hat dafür mehrere Zehntausend Liter Diesel verbraucht. Die Grössenordnung wirkt erschreckend, aber abgesehen von einigen Kilometern im Bus habe ich während meines Ferienaufenthalts praktisch keinen weiteren Treibstoff verbraucht. Geteilt durch die Anzahl Passagiere und gemessen an der Anzahl Städte, die ich besucht habe, ist die Bilanz nicht ganz so ernüchternd. Allerdings beschränken sich meine Überlegungen auf die Fortbewegung, zu berücksichtigen wären auch die Auswirkungen des Lebens an Bord dieses schwimmenden Hotels und das Verhalten der Passagiere.

Der Aufenthalt liess nichts zu wünschen übrig und war mit seinen Szenenwechseln zwischen Stadt und Land, Tradition und Innovation sehr abwechslungsreich. Das Nachdenken über diese Art zu reisen und deren Auswirkungen auf die Umwelt muss aber weitergehen. In der nächsten Ausgabe des VCS-Magazins finden Sie deshalb ein Interview mit der Verantwortlichen von Thurgau Travel. Wir wollen von ihr wissen, welche ökologischen Verpflichtungen das Unternehmen eingeht. Wer weiss, vielleicht ist die Zukunft ja grüner als gedacht. Paradoxerweise gäbe dies der «schönen blauen Donau» ihre zum Mythos erstarrte Farbe zurück.

Als mir Thurgau Travel eine ihrer Reisen mit dem Flussschiff anbot, war ich drauf und dran, abzulehnen. Kreuzfahrten sind von vornherein weit entfernt von den Überzeugungen, die der VCS Verkehrs-Club der Schweiz verkörpert, und die Auswirkungen auf die Umwelt schienen mir zu gross, als dass sich unsere Leserinnen und Leser dafür erwärmen könnten. Also habe ich erst einmal recherchiert – und dann entschieden. Selbstverständlich ist eine Schiffsreise nicht so ökologisch wie ein Ausflug mit dem Zug. Die im Vergleich zu den Meereskreuzfahrten weniger pompösen Flussfahrten stellen aber eine vertretbare Alternative zu Flugreisen dar, die in Sachen Emissionen am schlechtesten abschneiden.

Ich habe also trotzdem das Angebot von Thurgau Travel durchgeschaut und die Möglichkeiten einer VCS-kompatiblen Reise unter die Lupe genommen. Das Deutschschweizer Familienunternehmen bietet hauptsächlich Flussreisen in der ganzen Welt an. Schiffe, die ihre Passagiere nicht wie Zwerge aussehen lassen, stechen ihren Bug in die Gewässer von 25 Ländern – ein insgesamt ansehnliches Angebot. Schliesslich entscheide ich mich für eine Reise in Europa, deren Anfangs- und Endpunkt mit Bus oder Zug zu erreichen ist, und lande auf der Donau und in den imposanten Städten, die sie zwischen Deutschland und Ungarn durchfliesst.

Ablegen in Deutschland

Das Schiff erwartet seine Passagiere in der schmucken bayrischen Grenzstadt Passau, die von der Schweiz aus in wenigen Stunden Busfahrt erreichbar ist. An Bord werden die 140 Reisenden von einer aufmerksamen Besatzung begrüsst.

Spätabends legen wir ab und reisen in der ersten Nacht durch Österreich. Schön ist sie, die Donau, wenn auch nicht ganz so blau wie Strauss’ berühmtester Walzer glauben machen möchte. Der ruhige Wasserlauf durchquert Hügel und Wälder, deren Grüntöne er spiegelt. Leise gleitet das Boot, während am Horizont die Sonne untergeht.

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